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Gespenst im Genick
Klagen der Exportwirtschaft über Wettbewerbsverzerrungen im Gefolge der ständigen Schillingaufwertungen beantwortete die Bundesregierung stets mit dem Hinweis auf die außergewöhnlich hohen Zuwachsraten der Exporte in den ersten Monaten dieses Jahres — verglichen mit den entsprechenden Vorjahresmonaten.
Klagen der Exportwirtschaft über Wettbewerbsverzerrungen im Gefolge der ständigen Schillingaufwertungen beantwortete die Bundesregierung stets mit dem Hinweis auf die außergewöhnlich hohen Zuwachsraten der Exporte in den ersten Monaten dieses Jahres — verglichen mit den entsprechenden Vorjahresmonaten.
Die Klagen der Exportwirtschaft sind geblieben, das Gegenargument hat dagegen an Boden verloren. Denn auf der Ausfuhrseite zeigt sich seit Beginn 1974 ein deutlicher Verfall der monatlichen Zuwachsraten. Nach fast 50 Prozent im Jänner und 46 Prozent im Februar erreichte das Wachstum der Exporte im Mai mit 33,4 Prozent nur noch ein Drittel. Dagegen blieben die monatlichen Zuwachsraten bei den Importen mit durchschnittlich 27 Prozent weitgehend konstant. Ende Mai betrug das Außenhandelspassivum der ersten fünf Monate rund 16,5 Milliarden Schilling und lag demnach um rund 300 Millionen Schilling über der Vergleichsperiode des Vorjahres.
Sofern der Präsidentenwechsel im Weißen Haus keine starke Änderung der Talfahrt der Weltwirtschaft auslös t( und das wird von niemand erwartet), dürften sich die österreichischen Exporte im zweiten Halbjahr wesentlich ungünstiger als im ersten Halbjahr 1974 entwicklen. In unseren wichtigsten Abnehmerländern (Deutschland, Italien, Schweiz, Großbritannien und Schweden) nehmen die wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend ab, in wichtigen Branchen ist es zu deutlichen Krisenerscheinungen gekommen (Bauwirtschaft) und nun scheint auch der Stahlboom (der die österreichischen Exporte stark in die Höhe getrieben hat) seinem Ende entgegenzusteuern. Darüber hinaus dürfte die weltweite Flucht in Sachwerte, die die österreichischen Exporte außergewöhnlich stark belebte, nun langsam aber sicher an Liquiditäts- und Finanzierungsproblemen scheitern. Kurz: es wird kälter in der österreichischen Export Wirtschaft.
Da die österreichische Inflationsrate inzwischen weit über jener in der deutschen Bundesrepublik und auch in der Schweiz liegt, hat sich die Wettbewerbsposition der heimischen Exportwirtschaft in diesen beiden Staaten stark verschlechtert. In den ersten fünf Monaten 1974 verlor die heimische Exportwirtschaft fast ein Achtel ihres Marktanteils in der Bundesrepublik Deutschland (von 22,45 auf 19,61 Prozent) und immerhin ein Zehntel des Marktanteils in der Schweiz (von 11,32 auf 10,41 Prozent). Ebenfalls relativ starke Marktanteilsverluste hat die österreichische Exportwirtschaft im skandinavischen Raum (von 9,1 auf 8,6 Prozent) zu beklagen. Eine wesentliche Verbesserung ihrer Position konnte die österreichische Exportwirtschaft nur im sogenannten COMECON-Raum (vor allem Sowjetunion, Ungarn, Polen, CSSR) mit einer Anteilssteigerung von 11,5 auf 13,29 Prozent — also um fast 20 Prozent — erreichen.
Stark verbessern konnte die österreichische Exportwirtschaft ihren Anteil in die erdölproduzierenden-und exportierenden Staaten des Nahen Ostens (Iran, Libanon, Algerien, Irak und Libyen). Allerdings schickte Österreich in die genannten Staaten im vergangenen Jahr nur ein Siebzigste! seiner Exporte; in diesem Jahr dürfte der Anteil bei einem Vierzigstel liegen. Fast verdreifacht hat sich im übrigen der Exportanteil in den Irak (von 0,16 auf 0,40 Prozent der österreichischen Gesamtausfuhren).
Die Entwicklung des österreichischen Exports in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gibt (trotz beachtlicher Anfangserfolge) zu wenig Optimismus Anlaß. Wahrscheinlich wird das Wirtschaftsforschungsinstitut schon in den ersten Herbstmoniaten die Prognose für das Handelspassivum 1974 nach oben revidieren. Da der nun endlich einsetzende Fremdenstrom nach Österreich die Einnahmenrückgänge in den ersten fünf Monaten dieses Jahres unmöglich wettmachen kann, ist vor allem mit einer Revision der Prognose des Leistungsbilanzdefizits (wahrscheinlich auf rund 20 Milliarden Schilling) zu rechnen. Damit verbunden sein wird eine Erhöhung der Währunigsreservenverluste, und zwar auf rund 6 bis 7 Milliarden Schilling.
Bisher wies die Bundesregierung alle Wünsche der Exportwirtschaft auf Exportförderunigsmaßnahman zurück. Hoffentlich wird sie sich, o wie beim Fremdenverkehr, al#o wenn uns das Krisengespenst schon im Genick sitzt, nicht erst im letzten Augenblick zu Maßnahmen bereit erklären.
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