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Gespräch unter Katholiken soll Mißverständnisse beseitigen

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Zwischen Kirche und ÖVP, zwischen Katholischer Aktion und ÖVP hat es schon lange keinen so tiefgehenden Gedankenaustausch mehr gegeben, wie bei der von der Katholischen Aktion zum Auftakt ihrer Frühjahrskonferenz in St Gabriel bei Mödling veranstalteten Studientag mit Weihbischof Helmut Krätzl, ÖVP-Bundespar-teiobmann Josef Taus und dem geschäftsführenden ÖAAB-Obmann Herbert Kohlmaier. Nicht, daß sich mehr im kirchlichen Raum tätige Katholiken und mehr in der Parteiarbeit engagierte Katholiken über alles einig gewesen wären - aber immerhin wurden die Probleme offen beim Namen genannt.

Weihbischof Krätzl legte den Finger in eine offene Wunde: Offensichtlich hat für einen erklecklichen Anteil der VP-Funktionärsschicht das Zweite Vatikanische Konzil nicht stattgefunden, die religiöse Büdung ist beim Katechismuswissen stehen geblieben.

Aus diesem Nachholbedarf an religiös-theologischer Bildung ergeben sich ständig Mißverständnisse. Das zeigte sich deutlich, als der Weihbischof darauf hinwies, daß es in der christlichen Soziallehre durch die letzten päpstlichen Lehrschreiben zu Neuansätzen gekommen sei, die „radikale Forderungen im Sinn des Evangeliums enthalten“, aber gleichzeitig sozialistischen Umarmungstaktiken einen Schuß vor den Bug setzte: „Die christliche Soziallehre ist kein Kochbuch, aus dem man nach Belieben nur Vorspeise oder Dessert nehmen kann, sondern ein Ganzes.“ Die christliche Soziallehre dürfe nur auf dem Hintergrund christlicher Glaubensüberzeugung gesehen werden, weil manche Wortprägungen auch von Vertretern anderer Weltanschauungen benützt würden, dort allerdings in einem ganz anderen Sinnzusammenhang.

Trotzdem meldeten sich in der Diskussion VP-Funktionäre zu Wort, die allein schon die Verwendung von Begriffen wie „Entfremdung“ der „Klassengesellschaft“ in kirchlichen Lehräußerungen als Beweis für „marxistische Unterwanderung der Kirche“ gewertet wiesen wollten. Allerdings mußten sie sich von einem Fachmann sagen lassen, daß auch des Marxismus unverdächtige Geister wie Adam Smith oder Max Weber von „Klassengesellschaft“ gesprochen haben.

Uber manches war man sich aber doch einig: Daß „Jesus Christus für die Angehörigen aller Parteien am Kreuz gestorben ist“, daß es gut sei, wenn die Kirche heute mit keiner Partei mehr verheiratet ist; daß Bildungsarbeit notwendiger denn je wäre, um die aus Nichtwissen gespeisten Mißverständnisse zu vermeiden; daß die Volkspartei keinen Monopolanspruch auf katholische Stimmen erhebe ...

Viele Fragen blieben offen: So die von Weihbischof Krätzl, wie eine aller Parteibindungen ledige Kirche im Parteienstaat ihre Forderungen als Anwalt der Schwachen durchsetzen könne, aber auch die von Josef Taus, wie es denn die Kirche heute mit dem Eigentumsbegriff halte.

So mancher Wortwechsel brachte zum Bewußtsein, daß noch immer etliche Mißverständnisse nicht bereinigt sind: So als Taus erklärte, was die ÖVP (als Partei mit christlich-sozialem Kern und liberalem Flügel) von der Kirche erwarte, seien unmißverständliche, klare, sofortige Stellungnahmen, wenn christliche Grundwerte verletzt würden, und ihn Dr. Krätzl daran erinnerte, daß die Bischöfe oft genug geredet hätten, ohne daß die Öffentlichkeit davon sonderlich viel Notiz genommen hätte.

Alles in allem: Man kam überein, daß weiter miteinander geredet werden muß - unter Katholiken...

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