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Gespräche mit Feinden

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Die jüngst aufgeflammten Spannungen in und um Nikaragua haben in den Hintergrund gedrängt, daß in den vergangenen Monaten ein Bündel von Amnestiegesprächen in mehreren anhegenden Staaten begonnen haben. Jetzt gilt es, sie nicht ins Stocken geraten zu lassen. Vater all dieser unorthodoxen Initiativen ist Kolumbiens Staatschef Belisario Be-tancur.

Der konservative Präsident ist es, der den tapferen Versuch unternimmt, die traditionellen „vio-lencia” in Kolumbien, die auf blutige Auseinandersetzungen in den fünfziger Jahren zurückgeht, durch ein breites Amnestieangebot an die verschiedenen Guerillagruppen im Lande zu beenden. Nach zweijährigen Vorgesprächen (die er sofort nach Amtsantritt begann) konnte er im vergangenen Herbst nach und nach den Waffenstillstand mit den verschiedenen aufständischen Gruppen unterzeichnen.

Dabei nahm der kolumbianische Präsident hohe Risken in Kauf. Während eines Probejahres (eine Zeit, die für politische Debatten genützt werden soll, um die Aufständischen in die Legalität zu bringen) dürfen die Guerüle-ros ihre Waffen behalten und brauchen sich nicht den Armeepatrouillen zu stellen. Gerade die Streitkräfte in Kolumbien sind nicht sehr glücklich über dieses Entgegenkommen.

In El Salvador ist Kolumbiens Betancur ein starkes Vorbild für den christdemokratischen

Staatschef Jose Napoleon Duarte. Im militärischen Patt mit den sal-vadorianischen Guerillaarmeen eröffnete Duarte nach vorbereitenden Kontakten über Betancur im Oktober 1984 das - bis zu jenem Moment tabuisierte Friedensgespräch. Zwei Treffen zwischen dem Staatspräsidenten und Guerillakommandanten fanden bisher statt. Einige Vertrauensfühler zwischen Personen, die sich ohnehin als Duzfreunde von früher kennen, bestehen seither.

Doch im Moment sind alle weiteren Schritte eingefroren. Präsident Duarte will Ende März bei den Lokalwahlen eine breite christdemokratische Mehrheit gewinnen, um für das schwierige „Gespräch mit dem Feind” mehr Autorität zur Verfügung zu haben.

Auch Nikaraguas Sandinistas — politisch und vor allem wirtschaftlich in die Enge getrieben — lockten bereits mit Amnestieangeboten. Präsident Daniel Ortega würde gerne mit den „Konterrevolutionären” ins Gespräch kommen. Ausgeschlossen sind alle jene, die aus dem somozistischen Lager kommen. Kontakte fanden bisher jedoch nicht statt.

Mehr Mühe geben sich die Sandinistas neuerdings mit den Indianern der Atlantikküste, die durchwegs zu antisandinistischen Rebellen wurden, als der straffe zentralistischen Revolutionsstaat ihre historische Autonomie sträflich mißachtete (dies, obwohl die Indianer den Kampf gegen Somo-za unterstützt hatten). Mit dem Indianerführer Brooklyn Rivera wurden seit Dezember—natürlich in Kolumbiens Kapitale Bogota — mehrere Gespräche geführt.

Jetzt stockt jedoch das Verfahren, weil die (katholischen und spanischsprachigen) Revolutionäre in Managua trotz neuerdings guten Willens und Einsehens ob des Beharrens der (protestantischen und englischsprachigen) Indianer auf ihr kulturelles Anderssein überfordert sind.

So sind in den betroffenen Ländern Geduld, Fingerspitzengefühl und vor allem auch Ruhe von außen notwendig, um die begonnen Amnestiegespräche mit Erfolg zu Ende zu führen.

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