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Gespräche über Sprachrohr aus Plastik

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Vom Nachtwächter zum Kardinal - eine echt amerikanische Karriere? Keineswegs; dem dieser Karrieresprunj gelang, lebt nur wenige Kilometer von Österreichs Grenze entfernt in der slowakischen Bischofsstadt Nitra: Der Jesuit Johannes (Jan) Chrysostomus Korec.

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Vom Nachtwächter zum Kardinal - eine echt amerikanische Karriere? Keineswegs; dem dieser Karrieresprunj gelang, lebt nur wenige Kilometer von Österreichs Grenze entfernt in der slowakischen Bischofsstadt Nitra: Der Jesuit Johannes (Jan) Chrysostomus Korec.

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Wenige Wochen vor seinem 70. Geburtstag nimmt er die Gelegenheit wahr, vor Publizisten aus vier Ländern Mitteleuropas im kleinen Kreis zu sprechen, um sein Leben Revue passieren zu lassen und eine vorläufige Bilanz des Lebens in Unfreiheit und Freiheit zu ziehen. Zweimal 20 . Jahre lebte er - bereits im Alter von 27 Jahren geheim zum Bischof geweiht -in Unfreiheit - ständig unter den Augen der Geheimpolizei ein Apostolat entwickelnd, das seinesgleichen sucht. So berichtet Kardinal Korec, der in all den Jahren der Unfreiheit und Verfolgung insgesamt nicht weniger als 60.000 Besucher in seiner dürftigen Wohnung empfangen hat, wie er sich

- zum Schutz vor der Geheimpolizei Jahr und Tag nur über ein „Sprachrohr aus Plastik" mit seinem Quartiergeber und den Gästen unterhalten habe.

Korec empfing nicht nur 60.000 Gäste zu Beichte und Gespräch, darunter - wie er ausdrücklich betont -viele Jugendliche. Er schrieb auch ohne besondere Hilfsmittel und ohne Handbibliothek nicht weniger als 70 Bücher, davon nicht weniger als 60 im Rahmen der sogenannten „Bibliothek des Glaubens". Diese Bücher, in erster Linie für die schlichten Gläubigen gedacht, entstanden auf denkbar primitive Weise: vervielfältigt im eigenen Lande, in einfachen Broschüren im Ausland.

Soeben hat Kardinal Korec den dritten Band seiner Memoiren, auf Wunsch Roms angefertigt, fertiggestellt. Derzeit in den Händen kundiger Lektoren wird dieser dritte und abschließende Band in slowakischer Sprache im kommenden Herbst im gibt Kardinal Korec freimütig Auskunft über seinen eigenen Lebensweg und sein Wirken im Untergrund. So berichtet er - wohl zum ersten Mal so ausführlich -, daß er nicht weniger als 120 Ordensleute geheim zu Priestern geweiht habe. Darüber hinaus habe er in einer Zeit besonderer Bedrängnis -verbunden mit der Sorge, für längere Zeit inhaftiert zu werden - einen Mitbruder aus dem Jesuitenorden, P. Dominik Kalata, zum Geheimbischof geweiht.

In diesem Zusammenhang sprach Korec eingehend über die Taktik der Ernennung von Geheimbischöfen, vom zweiten Mann in der Reserve und von der Praxis, daß die Weihekandidaten aus dem eigenen Orden aufgrund eingehender interner Beratungen genommen wurden. Tatsächlich kam es ja zu einer eigenen Jesuiten-Bischofsfraktion in der Slowakei: Pavol Hnilica, Jan Korec, Dominik Kalata und Peter Dubovsky.

Zwei sind geflohen (Hnilica und Kalata) und zwei sind heute als Diö-zesanbischof (Korec) beziehungsweise als Weihbischof (Dubovsky in Banska Bystrica).tätig. Besonders aufmerksame Worte fand Korec für seinen „Weihevater" Hnilica, der vor kurzem in Rom vor Gericht stand und wegen undurchsichtiger Geldgeschäfte bedingt verurteilt wurde, und über seinen „Bischofssohn" Kalata, der heute in Deutschland vor allem als Firmspender tätig ist. Kein Wort über den nunmehr vor allem im Medienbereich der Slowakei tätigen Weihbischof Dubovsky, der lange Jahre als Buchhalter in Prag tätig war.

Kritik äußerte Kardinal Korec an jenen Männern, die - obzwar verheiratet - zu Bischöfen und Priestern geweiht wurden (dazu ausführlich: Franz Gansrigier: Jeder war ein Papst, Otto Müller Verlag, Salzburg 1991). Nichts sagte Korec interessanterweise über jene Frauen, die in Notzeiten zu Diakonissinnen und Priesterinnen geweiht wurden. Insbesondere bestritt Korec, daß es notwendig gewesen sei, nichtzölibatären Männern die Weihe zu erteilen.

Die Korec-Gruppe hatte seinerzeit im Untergrund gegen die Praxis eines Teils der tschechischen und slowakischen Geheimkirche gekämpft, neue Wege hinsichtlich des Priesteramtes zu beschreiten. Gleichzeitig teilte Korec mit, daß weder in der Tschechischen noch in der Slowakischen Republik weitergehende Informationen über die Behandlung der Geheimbischöfe und der Geheimpriester existierten. Der volle Umfang sei lediglich der römischen Glaubenskongregation bekannt.

Unumwunden gab Kardinal Korec zu, daß derzeit besonders die Ausbildung der Theologen - nicht zuletzt wegen des Fehlens von qualifizierten Professoren - auf Schwierigkeiten stoße. Auch die Erteilung des Religionsunterrichtes und die Mitarbeit qualifizierter Laien verdiene das besondere Augenmerk der insgesamt 15 katholischen Bischöfe in der Slowakischen Republik. Die Kirche habe viele Jahre in Unfreiheit gelebt; nunmehr gelte es, zwischen den Chancen und Gefahren der errungenen Freiheit den richtigen Weg zu finden.

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