Die Abwendung der Jugend, die ärgerliche oder gleichgültige Absenz des Bürgers, kurz, die vielberufene „Demokratieverdrossenheit“ sind meines Erachtens nicht Anzeichen einer sich breitmachenden antidemokratischen Einstellung, sondern der Ausdruck einer Verdrossenheit an dieser Art von Politik und Demokratie …
Was real und konkret aus dem Schlagwort der „Demokratisierung“ geworden ist, ist die fast durchgehende Feudalisierung der Politik, der staatlich beeinflußten Wirtschaft und des öffentlichen Lebens.
Jenseits aller schlagwortartigen „Demokratisierungen“, die meist nur zur Verschleierung und Diffusion zurechenbarer Verantwortlichkeiten führen, möchte ich für eine Renaissance der republikanischen Gesinnung plädieren.
Republikanische Gesinnung, das heißt, den Staat nicht als Selbstbedienungsladen zur privaten Besserstellung oder Bereicherung zu sehen, sondern eben als öffentliche Sache, res publica, zu der jeder seinen Beitrag zu leisten hat — nicht nur finanziellen, sondern geistigen und moralischen Beitrag. Die Forderung trifft nicht nur Politiker, sie betrifft ebenso den Bürger.
Republikanische Gesinnung, das heißt, das Prinzip „Öffentlichkeit“ ernstzunehmen und einzufordern. Das sogenannte „öffentliche Leben“ verkommt zum veröffentlichten Privatleben der feudalen Prominenz. Wen das Sternzeichen oder die Frühstücksgewohnheiten eines Ministers mehr interessieren als seine Amtsführung, der kann ihn nicht zur Verantwortung ziehen.
Republikanische Gesinnung, das heißt, den Staat nicht als Privateigentum der Herrschenden mißzuverstehen, von dem ein paar Brosamen auch an die Lakaien abfallen sollen, sondern als die gemeinsame Sache aller und jedes einzelnen. Republikanische Gesinnung heißt, den Bürger als Souverän anzuerkennen; ebenso aber, als Bürger seine Pflichten und Verantwortung als Souverän wahrzunehmen.
Denn die Demokratie lebt nicht von ihren Führern, sondern von ihren Bürgern, die sich ihr verpflichtet fühlen und selbst nach dem Besten sehen.
