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Getto der Millionäre?

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Es war im Hohen Haus bei der Debatte über den Kunstbericht 1979, als die Salzburger Festspiele, wieder einmal und wie schon gewohnt, in das Blickfeld der Kritik gerieten. Sie würden sich „zu einem Getto der Millionäre" entwickeln. „Welcher Österreicher könne sich noch Karten für die Salzburger Festspiele leisten", fragte mit großer Geste ein Abgeordneter.

Die Frage läßt sich leicht beantworten: Viele! Und sie widerlegt den Redner. Im Sommer 1980 stehen nämlich 76.126 Karten unter 500 Schilling zur Verfügung, ein Preis, der im Vergleich zu den Preisen bei manchen Popkonzerten oder Boxkämpfen sicher als erschwinglich anzusehen ist:

4.075 Stück zu S 50-

7.835 Stück zu S 100.-11.889 Stück zu S 200.-14.664 Stück zu S 300.-20.761 Stück zu S 400.-17.502 Stück zu S 500.-

84.313 Karten kosten zwischen 600 (15.517 Stück) und 2.000 Schilling (12.794 Stück). Gerade diese ganz teuren Karten sind immer zuerst vergriffen.

Ein anderer Punkt der Kritik: Festspiele nur für die Ausländer, die Salzburger erhalten überhaupt keine Karten. Nach der Statistik der Salzburger Festspiele gingen im Vorjahr von 135.022 verkauften Karten aus 99 Veranstaltungen 54.613 Karten an Österreicher, davon 30.611 an Salzburger. 80.409 Karten gingen in das Ausland, was einerseits die Bedeutung der Salzburger Festspiele unterstreicht, anderseits aber Österreich zu bedeutenden Deviseneinnahmen verhilft.

Im vergangenen Jahr kamen z. B. 35.682 oder 28.2 % der Besucher aus der Bundesrepublik Deutschland, 4.057 oder 3.2 % aus der Schweiz, 3.038 oder 2.4 % aus Frankreich, 1.248 oder 1 % aus den Beneluxländern, 1.310oder 1 % aus Italien, 2.580 oder 2 % aus Nordamerika, 836 oder 0,7 % aus Südamerika und 1.758 oder 1,4 % aus Japan. Die Zahlen sprechen für das internationale Ansehen der Salzburger Festspiele.

Wiederholte Befragungen über die Motive für den Festspielbesuch ergaben übereinstimmend, das vor allem musikalische Interessen zur Reise nach Salzburg animieren, wobei - ganz im Gegensatz zu den Ansichten der berufsmäßigen Kritik - gerade die mehr oder minder konservativen Programme eine entscheidende Rolle spielen.

Das hat auch eine 1978 durchgeführte Befragung von Festspielbesuchern bestätigt: 62,5 % waren mit der gegenwärtigen Programmgestaltung einverstanden, 27,5 % wünschten mehr klassische Stücke und nur 4,9 % mehr zeitgenössische Werke. Interessant ist, daß sich bei der Befragung 65,1 % gegen gemischte Programme (Klassik und Moderne), wie sie in den letzten

Jahren verschiedentlich geboten wurden, aussprachen. 15,9 % wünschten sich mehr Sprechstücke im Programm.

Angesichts dieser Meinung der Besucher erhebt sich die Frage, ob man tatsächlich den Wünschen der Kritik nach radikalen Änderungen des Programms Rechnung tragen und Festspiele „gegen das Publikum" machen soll oder aber den bisherigen Weg fortsetzen, das Publikum behutsam an die Moderne heranzuführen. Die vielen jugendlichen Besucher, die man bei allen Veranstaltungen antrifft, beweisen, daß das Argument, die Jugend könne mit diesen Programmen nichts mehr anfangen, nicht zählt. Sie beweisen aber auch die Tatsache, daß wer dabei sein will, dabei ist, ohne Rücksicht auf die Kosten.

Und wenn schon von den Kosten die Rede ist, da muß bei den Salzburger

Festspielen immer wieder der „brave Steuerzahler" herhalten, der all den Spektakel für die „Ruhrbarone" bezahlen muß.

Es ist richtig, daß Bund, Land, Gemeinde und Fremdenverkehrfonds für das Rechnungsjahr 1979/80 80 Millionen Schilling zuschießen müssen. Es ist aber ebenso richtig, daß die Festspiele in der gleichen Zeit 50,5 Millionen Schilling an Steuern und Beiträgen an die öffentliche Hand abgeführt haben, die also mit der einen Hand gibt und mit der anderen nimmt. Und wenn man bedenkt, daß zirka 80.000 Ausländer die Festspiele besuchen, so kann man errechnen, wie viel Geld sie ins Land bringen.

Nach der Statistik halten sich 13,6 % der Besucher 1 bis 3 Tage in Salzburg auf, über 32 % zwischen 4 und 7 Tagen und 34,2 % bleiben mehr als zehn Tage.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt rund 9 Tage, wobei 71 % der Besucher mit dem eigenen PKW anreisen und 9 % mit dem Flugzeug.

Unter Berücksichtigung all dieser Daten kommt man bei einem durchschnittlichen Tagesverbrauch von 600 Schilling - was sicher zu niedrig geschätzt ist - auf eine zusätzliche Einnahme der Wirtschaft von 432 Millio-' nen Schilling. Andere Schätzungen sprechen sogar von 700 bis 750 Millionen Schilling. Und wenn man davon nur 8 % Mehrwertsteuer rechnet - also den niedrigsten Satz - so erhält der Staat zusätzliche Steuereinnahmen von 34,5 oder gar 56 Millionen Schiling.

Der brave Steuerzahler zahlt demnach gar nichts darauf. Ganz im Gegensatz zu den Hunderten von Millionen für die Wiener Oper, da ja hier sicher-

lieh nur sehr wenig Besucher nur deshalb nach Wien fahren, um in die Oper zu gehen.

Die Wirklichkeit ist auch hier, bei den Salzburger Festspielen, eine andere, als Politiker und Kritiker meinen, die sich nur allzugerne von billigen Schlagworten und - letztere - von ihren „elitären" Vorstellungen leiten lassen. Man muß hinter die Kulissen schauen, dann sehen viele Dinge ganz anders aus.

Wer weiß z. B , daß die Salzburger Festspiele im Vorjahr mehr als 5 Millionen Schilling an Tantiemen bezahlen mußten, sogar für Mozart in der neuen Ausgabe! Und wer denkt schon an die 597 Rundfunk-Übertragungen mit 86 Live-Ubernahmen in 25 Ländern im vergangenen Jahr: eine Werbung für das Fremdenverkehrsland Österreich, wie sie besser und billiger nicht gedacht werden kann.

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