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Gewerkschafter müssen Farbe bekennen

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In der Diskussion über die von ÖVP-Seite vehement geforderte Steuersenkung mit 1. Jänner 1978 ist nun der mächtige Gewerkschaftsbund in eine heikle Situation geraten: Bekanntlich beharrt Finanzminister Hannes Androsch auf seiner Ansicht, der früheste Termin für eine Steuersenkung sei aus wirtschaftlichen Gründen („Sicherung der Arbeitsplätze”) der Jahresanfang 1979, was klarerweise nach einem sehr durchsichtigen Wahlzuckerl aussieht. Die Gewerkschaft kann es sich aber ihrerseits nicht mehr lange gefallen lassen, als Steigbügelhalter der Regierung abqualifiziert zu werden, sie sieht sich gezwungen, dem Druck der unter der Belastungswelle stöhnenden Arbeitnehmer nachzugeben, um nicht ihr Gesicht zu verlieren.

Als erste eröffneten die beiden Kronprinzen in_ der Benya-Nach- folge das Feuer:’ Der Chef der Metallarbeitergewerkschaft, Karl Se- kanina, erklärte, es sei denkbar, daß die Gewerkschaften andere Terminvorstellungen als der Finanzministerhaben. Eine Steuerreform müsse jedenfalls zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen, die Gewerkschaften hätten sie schon jetzt verlangt, wäre es nicht notwendig gewesen, Arbeitsplätze zu sichern. Alfred Dallinger, Obmann der Gewerkschaft der Privatangestellten, 1 meinte, es sei „nicht zwingend, daß der 1. Jänner 1979 vom ÖGB als Termin für eine Steuersenkung in Vorschlag gebracht wird”. Eine Telephonumfrage unter den führenden Gewerkschaften und Vorsitzenden der Fachgewerkschaften ergab ein recht interessantes Bild. Die Frage lautete: „Sind Sie wie Finanzminister Hannes Androsch der Meinung, daß der 1. 1. 1979 der frühestmögliche Termin für eine Reform der Lohn- und Einkommensteuer ist?”

Abgeordneter Herbert Pansi, Gewerkschaft der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft: „Ich möchte weder mit Ja noch mit Nein antworten. Wenn wir eine sehr gute wirtschaftliche Entwicklung haben und auch die Einnahmen des Staates gut sind, dann glaube ich, daß eine Steuerreform schon früher möglich ist. Umgekehrt, wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht gut ist und die Staatseinnahmen ausbleiben, wird man noch warten müssen, wegen der Sicherung der Arbeitsplätze. Wir müssen noch die Entwicklung dieses Jahres abwar- ten… Ich glaube übrigens, man wird schwer sagen können, der Termin muß unbedingt der 1. Jänner 1978 sein. Es wäre ja genauso denkbar, daß man die Reform etwa Mitte des Jahres 1978 ansetzt, sofern die wirtschaftliche Entwicklung es zuläßt, dann würden die Staatsfinanzen nicht plötzlich so stark belastet werden.”

Gemeinderat Adalbert Busta, Gewerkschaft persönlicher Dienst: „Ich würde jede persönliche Meinung als präjudizierend betrachten. Das ist kein Drücken, keine taktische Vorgangsweise. Ich bin ein derartig fairer Bursch. Wenn ich heute eine Meinung an die Öffentlichkeit trage, wozu setz ich dann im ÖGB eine Steuerkommis: sion ein? Ich hoffe, daß die Diskussion im Interesse der Arbeitnehmer ein reales Ergebnis bringt. Daß ich es lieber sehe, daß die Arbeitnehmer nicht so stark belastet werden, ist ja klar. Grundsätzlich geht es mir um die Chancengerechtigkeit im Steuerrecht, die noch immer nicht gegeben ist. Darauf werde ich in der Steuerkommission besonders hinweisen.” Der von Androsch vorgeschlagene Termin sei für ihn keine Maxime. Zur Frage eines späteren Termins als 1979, etwa Anfang 1980, meint Busta: „Das glaub ich kaum, das würden wir als Gewerkschafter kaum aushalten…”

Abgeordneter Teschl, Gewerkschaft der Chemiearbeiter, läßt über sein Sekretariat wissen: „Sich jetzt zu äußern, wäre noch zu früh.

1977 kommt nicht mehr in Frage.

1978 kennt man die wirtschaftliche Entwicklung noch nicht.”

Fritz Sailer, Gewerkschaft der gastgewerblichen Arbeitnehmer: „Sicherlich ist immer bei Verhandlungen einer, der mehr sagt und einer, der weniger sagt. Persönlich glaube ich nicht, daß das sein (des Finanzministers) letztes Wort ist Würde der Finanzminister den Termin sagen, an den er glaubt, dann war’ er teppert, und für tep- pert halt’ ich ihn net. Das ist ja alles a Kuhhandel… und schauen Sie: Es is übrigens net so, daß der Finanzminister der Gewinner der Inflation ist..

Minister Josef Staribacher, Gewerkschaft der Lebens- und Genußmittelarbeiter: „Ich denke nicht daran, eine persönliche Stellungnahme abzugeben. Da kann ich nur sagen, der ÖGB hat einstimmig beschlossen, eine Kommission für diese Frage einzusetzen. Bei unserer Organisation gilt das Prinzip, wenn wir eine Kommision einset- zen, daß wir abwarten, was da herauskommt.”

Arnold Steiner, Gewerkschaft Drück und Papier: „Da geb’ ich am Telephon keine Stellungnahme ab.”

Rudolf Mracek, 1. Stellvertreter des Vorsitzenden und funktionsführender Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Telegraphenbediensteten: „Für mich könnte kein Termin früh genug sein, weil das ein echt brennendes Problem ist. Besonders für uns im öffentlichen Dienst. Das ergibt sich aus der Lohn- und Gehaltsautomatik.”

Für Abgeordneten Friedrich Brechtl, Gewerkschaft der Eisenbahner, deponiert ÖGB-Sekretär Emst Unger die Meinung: „Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß im Hinblick auf die derzeitige wirtschaftliche Situation etwas mehr Zurückhaltung vorteilhaft wäre. Dies vor allem deshalb, weil die Arbeitsmarktlage nicht allzu sicher ist und dadurch Arbeitsplätze in Gefahr geraten könnten. Einen konkreten Termin für die Reform der Lohn- und Einkommenssteuer kann ich Ihnen noch nicht sagen. Ich möchte aber noch einmal betonen, daß von der fachlichen Seite mehr Verständnis aufgebracht werden müßte.”

Gemeinderat Rautner, Geschäftsführer der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter, läßt über seine Sekretärin wissen: „Telephonisch kann ich zu dieser Angelegenheit keine Stellungnahme abgeben.”

Rudolf Sommer, Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten: „Nein. Ich bin ja nicht Finanzminister, sondern Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlich Bediensteter und als solcher auch Mitglied des ÖGB-Vorstandes. Der ÖGB hat nun eine Steuerkommission eingesetzt, und ich hoffe, daß dort die Arbeit sehr fruchtbringend sein wird.”

DDDr. Karl Rössel-Maydan, Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe: „Ich kann Ihnen dazu überhaupt nichts sagen, weü wir uns mit dieser Angelegenheit überhaupt nicht befaßt haben. Weder in den Gremien noch in den Ausschüssen kam diese Aussage von Finanzminister Androsch zur Sprache.”

Abgeordneter Karl Wedenig, Sekretär des ÖGB: „Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß jene Lohnanteile, die zur Abgeltung der Inflation dienen, nicht der Steuerprogression unterliegen dürfen. Durch die Inflation der letzten drei Jahre unterliegen diese Lohnteile jedoch einer massiven progressiven Besteuerung. Eine Steueranpassung müßte daher noch 1978 erfolgen.”

Alfred Ströer, leitender Selcretär des ÖGB: „Ich bin nicht der Meinung, daß sich irgend jemand auf einen bestimmten Tag festlegen soll. Ich glaube viel mehr, daß es richtig ist, wenn man die Bedürfnisse des Staates mit den Wunschvorstellungen der Steuerzahler in Einklang bringt.”

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