6812028-1972_40_04.jpg
Digital In Arbeit

Gewerkschaftsstaat ?

Werbung
Werbung
Werbung

Zu verharmlosen, als Angelegenheit wirtschaftlichen Information — eine der Human Relations in den Betrie- Indoktrinierung im Sinne sozialistiben mit absolut keinen politischen scher Systemänderung. Das muß

Konsequenzen hinzustellen; aber zwangsläufig einen Konflikt zwisie selbst sind wohl die Letzten, die sich die zwangsläufig für sie entstehenden Vorteile entgehen lassen werden.

Mitbestimmung in den Aufsichtsräten bedeutet, auch wenn nur Betriebsratsmitglieder delegiert werden dürfen, in der Paxis Mitbestimmung der Gewerkschaften oder, präziser gesagt, der sozialistischen Fraktion in den Gewerkschaften — dies um so mehr, als künftig die Stimmen bei der Wahl in die Zentralbetriebsräte konzernierter Unternehmungen gewichtet werden sollen, was in den meisten Fällen eine noch stärkere sozialistische Übermacht als bisher garantieren wird.

Daß die Entscheidungen der Arbeitnehmer-Aufsichtsräte rein betriebsbezogen und nicht politisch sein werden, ist kaum zu erwarten. Das ergibt sich schon aus dem engen Konnex, der gerade von sozialistischer Seite zwischen Mitbestimmung und Bildungsurlaub hergestellt wird.

Die Bildung, die die Gewerkschaften den Betriebsräten zuteil werden lassen, um sie für Aufsichtsratsposten zu qualifizieren, ist — neben der gewiß auch vermittelten sehen betrieblicher und politischer Loyalität nach sich ziehen, wobei die Entscheidung — schon wegen der totalen Abhängigkeit der Delegierten Willensbildung in einer Demokratie von Betriebsrat und Gewerkschaft eben über die Parteien, so daß in

— wohl immer zugunsten der poli- Staatsbetrieben, die ja schließlich tischen Loyalität ausfallen muß. auch Machtpositionen darstellen, der

Die machtpolitischen Konsequen- Parteieneinfluß kaum auszuschalten zen werden in der Privatindustrie bei der Drittelparität noch nicht manifest, wohl aber in der verstaatlichten, wenn dort tätsächlich, wie das der sozialistische Plan vorsieht, die Betriebsratsdelegierten im Aufsichtsrat nicht auf das Parteienkontingent angerechnet werden. Gewiß haben — und das wird von den Sozialisten im publizistischen Stellungskrieg weidlich ausgeschrottet — Parteienkontingente heute keinen guten Klang, erinnern sie doch zu sehr an den Proporz unseligen Angedenkens. Nun aber erfolgt die politische ist — das um so mehr, als die rein sachliche Objektivität kaum definiert werden kann.

Darüber hinaus waren es bisher immer gerade die Sozialisten, die sich einer Entpolitisierung der Aufsichtsräte widersetzt und dafür Sorge getragen haben, dort selbst sehr genau ihrer Stärke im Nationalrat gemäß repräsentiert zu sein. In dieser Hinsicht soll der Proporz auch künftig bleiben, für die Betriebsräte hat er hingegen nicht zu gelten, so daß die überproportionale Repräsentanz einer Partei — wie immer in Zukunft die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat sein mögen — für alle Zeiten sichergestellt ist. Hier handelt es sich um ein echtes staatspolitisches Problem, das nicht als Lamento einiger Proporz-Pöstchen-jäger bagatellisiert werden kann.

Der für die Regierung angenehme Nebeneffekt der angestrebten Mitbestimmungsregelung ist es nämlich, daß die österreichsche Staatsindustrie zur sozialistischen Parteiindustrie umfunktioniert werden kann. Das ist die logische Konsequenz der konsolidierten sozialistischen Majorität in den Aufsich'tsräten der Verstaatlichten, deren Kompetenzen keineswegs unterschätzt werden sollten; gehört dazu doch auch die Bestellung der Vorstände.

Welche Auswirkungen das haben kann, wird deutlich, wenn wir bedenken, daß diese Regelung selbstverständlich auch den ORF betreffen muß. Der mittels Volksbegehren mühsam einigermaßen entpolitisierte Rundfunk würde auf kaltem Wege zur sozialistischen Parteiinstitution, der auch kein Regierungswechsel mehr etwas anhaben könnte. Die an sich so berechtigte Forderung nach Mitbestimmung hat, führt man sie in der heute von der Regierung beabsichtigten Form durch, ganz erhebliche Weiterungen.

Sind sie unvermeidlich? Gewiß, man könnte ihnen durch Sonderregelungen zu begegnen suchen. Aber ist die Mitbestimmung von oben — mit Hilfe politisch gedrillter Betriebsräte — wirklich der richtige Weg, um dem Mitarbeiter in Büro und Fabrik den Einfluß zu sichern, den er selbst möchte und der ihm auch zusteht? Sollte nicht eine echt demokratische Mitbestimmung an der Basis ansetzen, indem sie dem Arbeitnehmer im überschaubaren Bereich eine Mitsprache und eine Mitentscheidung einräumt?

Das Wort Mitbestimmung ist eben so groß und so verschwommen, daß darin nur allzuleicht auch Dinge Platz haben, die dem sachlichen Ziel nicht unbedingt dienen. Das Etikett, mit dem heute sehr leichtfertig umgegangen wird, garantiert noch nicht die Qualität des Inhalts.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung