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Gewissen der Welt

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Wie sollte der neue Papst beschaffen sein? Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle Hoffnungen und Wünsche bekannter Persönlichkeiten Österreichs wiedergegeben. Heute erteilen wir Theologen verschiedener Bekenntnisse das Wort. Karl Rahners Überlegungen sind auszugsweise seinem 1976 bei Herder erschienenen „Grundkurs des Glaubens“ entnommen. Die übrigen Darlegungen sind Auszüge aus Stellungnahmen, die 1975 in dem Paperback „Papsttum heute und morgen“ von Georg Denzer im Pustet-Verlag zur Diskussion gestellt worden sind.

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Wie sollte der neue Papst beschaffen sein? Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle Hoffnungen und Wünsche bekannter Persönlichkeiten Österreichs wiedergegeben. Heute erteilen wir Theologen verschiedener Bekenntnisse das Wort. Karl Rahners Überlegungen sind auszugsweise seinem 1976 bei Herder erschienenen „Grundkurs des Glaubens“ entnommen. Die übrigen Darlegungen sind Auszüge aus Stellungnahmen, die 1975 in dem Paperback „Papsttum heute und morgen“ von Georg Denzer im Pustet-Verlag zur Diskussion gestellt worden sind.

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Das Gebot der Stunde ist nicht ein alles entscheidender Papst. Auch der staatliche Absolutismus ist an der inneren Unmöglichkeit gescheitert, in unserer Zeit ein Amt absolutistisch auszuüben. Eine Person kann dies bei der Schwierigkeit der anstehenden Probleme nicht leisten. Diese Art zu regieren, bedeutet in der Praxis die

Abhängigkeit von unverantwortlichen Ratgebern, die sich im entscheidenden Augenblick hinter der Figur des Papstes verstecken. Wohin das führt, zeigt das Schiksal der Enzyklika „Humanae vitae“ …

KARL OTMAR VON ARETIN

(Jahrgang 1923), Zeitgeschichtler, Darmstadt

Das Petrusamt wird für die ganze Christenheit nicht nur annehmbar, sondern auch wirklich ersehnt sein, wenn Päpste sorgfältig Fehler aus Überschreitung ihrer Kompetenz - Amtskompetenz und Sachverstand - zu vermeiden suchen und begangene Fehler (nicht nur durch Vorgänger begangene Fehler!) schlicht eingestehen. Dann wird sich auch an eine gelassene Diskussion des Dogmas "der Unfehlbarkeit denken lassen …

Die Altersgrenze des Bischofs von Rom soll in Anbetracht der Schwere der Bürde und Bedeutsamkeit des Amtes genauso selbstverständlich sein wie die der anderen Bischöfe. Noch besser wäre wohl eine Wahl auf begrenzte Zeit.

BERNHARD HÄRING (Jahrgang 1912), Moraltheologe, Rom

Die verschiedenen Funktionen, die heute im Papsttum vereinigt sind, sollten sauber unterschieden werden: Der Papst kann nicht für die Gesamtkirche in gleicher Weise zuständig sein wie für das abendländische Patriarchat, für seine Kirchenprovinz, seine Diözese oder gar den Vatikanstaat.

Joseph Ratzinger hat zwischen juridischer und moralischer Betrachtung des Primates unterschieden: Nicht alles, was der Papst rechtlich kann und im Notfall auch tun soll, darf er moralisch im Normalfall tun.

Im Sinn des Subsidiaritätsprinzips sollte der Papst nicht so sehr Gesamtinstanz für alles und jedes, sondern eher letzte und höchste Instanz für jene Fälle sein, die sein Eingreifen im Dienst und zur Sicherung des Gemeinwohls nötig machen. Im übrigen sollte er dem Austausch des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe dienen, Anregungen geben, empfangen und wiederweitergeben.

fERDlNANQ KLOSTERMANN (Jahrgang 1907), Pastoraltheologe, Wien

Die Bedeutung der Taufe und der daraus resultierenden Mitgliedsrechte aller Getauften in der Kirche Jesu Christi dürfte nicht nur in einigen Konzilsdokumenten der römischen Kirche aufscheinen, sondern müßte konsequent und logisch durch Kirchenlehre und Kirchenrecht wie ein roter Faden durchgezogen werden. Trotz liebloser Behandlung durch Kurien und Päpste achte ich - wie wohl jeder Alt-Katholik - den Bischof von Rom als den Träger des Petrus-Dienstes über alles. Es wird keine Einheit der Christen ohne den Papst in Rom geben.

WYNFRITH NOLL (Jahrgang 1928), altkatholischer Pfarrer, Rosenheim

Obwohl die Mehrzahl der nichtkatholischen Christen und Theologen die Annahme des Papsttums noch für indiskutabel hält, nimmt die Zahl und Stärke jener Stimmen zu, die einen obersten Repräsentanten und Sprecher der ökumenischen Christenheit für wünschenswert, wenn nicht gar für unentbehrlich halten.

ULRICH VALESKE (Jahrgang 1922), evangelischer Pfarrer, Pöcking

Was katholische und andere Christen wie auch viele Menschen in der Welt vom Papsttum erwarten, ist eine zuversichtliche und optimistische Verkündigung des Evangeliums, die den Glauben und die Hoffnung stärkt und den Weg zur Freiheit und Gerechtigkeit, zum Frieden und zur Liebe weist und den Menschen Halt bietet. Die Chancen des Papsttums in dieser Hinsicht sind gerade in der nächsten Zukunft groß ..

In redlichem Gehorsam gegen den Herrn der Kirche hat das Papsttum die Chance, eine Art Gewissen der Kirche und der Gesellschaft zu sein. Die Gewissensfunktion kann aber nur dialogisch ausgeübt werden. Um diesen ständigen Dialog der Kirche und der Gesellschaft mit dem Papsttum zu ermöglichen, dafür sind allerdings viele mitverantwortlich.

ALOIS SUSTAR (Jahrgang 1920), Moraltheologe, Chur

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