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Gewissen und Gehorsam
Das Thema der diesjährigen „Sek-kauerGespräche", die seit 1981 in der steirischen Benediktinerabtei Seckau stattfinden, ist wohl immer von ungeheurer Aktualität. Ob Christ oder Atheist - Gewissensentscheidungen müssen von beiden gefällt werden. Mit „gutem" Gewissen wurden schon Religionskriege geführt und Diktaturen aufrecht erhalten.
Viele der 33 Teilnehmer erhofften sich eindeutige Antworten und eine konkrete wissenschaftliche Abhandlung des Themas, das in seiner vollen Länge „Gewissen als Freibrief -Gehorsam als Alibi" lautete. Vieles kam in Seckau zur Sprache, was manchen gläubigen Katholiken das Atmen im kirchlichen Bereich schwer macht. Wie sich in den angeregten Gesprächsrunden bald herausstellte, kann man Gewissen und Gehorsam nicht eindeutig definieren. Für manchen ist eine Gewissensentscheidung nur ein Vorgang des Intellekts, für andere wiederum ist der religiöse Kontext ausschlaggebend.
Der Moraltheologe Hans Rotter aus Innsbruck bezeichnete in seinem Referat das Gewissen als die Stimme Gottes. Das maßgeblichste Kriterium für eine Entscheidung sei Jesus Christus; dieser habe uns nicht zur Nachahmung seiner Person, sondern zur Nachfolge aufgerufen. Durch die Inspiration Jesu könne jeder den eigenen Weg finden. Somit lasse sich das Gewissen nicht festnageln, es sei kreativ und erfinderisch. Sittliche Wahrheiten objektiv festlegen zu wollen, sei gefährlich. In diesem Zusammenhang meinte er, daß Papst Johannes Paul seine Kompetenz überschreiten würde, erklärte er die Enzyklika „Humanae vitae" zum Dogma. Dies war auch indirekt eine Antwort auf die Frage besorgter Eltern, deren Kinder zwar aktiv in der Pfarre mitarbeiten, andererseits die Lehre der Kirche unbeachtet beiseite schieben: „Inwieweit ist man als gläubiger Katholik an das Lehramt der Kirche gebunden?"
Auch das Lehramt habe seine Grenzen, diese müsse man zugeben, dann würde das Lehramt auch wieder geachtet werden. Kritik an der Kirche sei notwendig, Fehlentscheidungen habe es immer gegeben. Letztendlich wird es in Gewissensfragen keine Absolutheit geben, mit einem Risiko des Gewissens muß man leben lernen. Im Konzilsdokument „Gaudium et spes" des Zweiten Vatikanums bezeichnet die Kirche selbst das Gewissen als „die verborgenste Mitte und das Heiligtum des Menschen, wo er allein mit Gott ist".
Zu einem guten Gehorsam bedarf es einer guten Leitung, Vorgesetzte tragen Mitverantwortung, dies gilt auch für die Kirche und das Lehramt, bemerkte Rotter. Aktiver Gehorsam bedeutet in der Kirche, Vernunft und Initiative einbringen zu können.
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