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Ghadhafis Traum vom Sahara-Reich

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Als Oberst Ghadhafierklärte: „Der Tschad gehört zum libyschen Lebensraum“ konterte sein durch Präsident Oueddei Goukouni mittelbar geschlagener Gegner Hissène Habrè, der zitierte Nazi-Jargon stellte den Diktator von Tripolis mit Hitler gleich. So hirnspinstig dürften Ghadhafis Visionen bezüglich eines „Sahara-Reiches“ aber gar nicht sein. Schließlich fußen sie auf einem wohldurchdachten und zielstrebig vorangetriebenen Konzept, das mit Petro- Dollar-Milliarden auch finanzierbar ist.

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Als Oberst Ghadhafierklärte: „Der Tschad gehört zum libyschen Lebensraum“ konterte sein durch Präsident Oueddei Goukouni mittelbar geschlagener Gegner Hissène Habrè, der zitierte Nazi-Jargon stellte den Diktator von Tripolis mit Hitler gleich. So hirnspinstig dürften Ghadhafis Visionen bezüglich eines „Sahara-Reiches“ aber gar nicht sein. Schließlich fußen sie auf einem wohldurchdachten und zielstrebig vorangetriebenen Konzept, das mit Petro- Dollar-Milliarden auch finanzierbar ist.

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Der von libyscher Seite inszenierte Putschversuch in Gafsa (1980) und die jüngste Audienz mit dem Opponenten- Emigranten, Idi Lala (1981) deuten an, daß Tunesien und die Zentralafrikani­sche Republik die nächsten „Streiche“ in der „Befreiungsreihe“ darstellen könnten. Es sei denn, die Betroffenen und deren Alliierte stünden mit Waffen und Soldaten zur Abwehr bereit. Nur das imponiert ihm, sagte Ghadhafi sel­ber.

Weil 15 afrikanische Staatschefs im togolesischen Lome, anläßlich der Ju­biläumstagung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), die liby­sche Invasion des Tschad verurteilten, knallte der Tripolitaner Außenminister Dr. Triki die Konferenztüre zu. Alle­samt blickten sie hilfesuchend auf die einstige Kolonialmacht Frankreich.

Zug um Zug zürnte, tobte und drohte Ghadhafi, Paris ließ sich aber davon nicht beirren und stellte seine Weichen auch im einstigen nordafrikanischen Kolonialreich auf Abwehrkurs gegen li­bysche Intrigen und Subversion. Nie­mals in letzter Zeit war auch deshalb die Maghreb-Region - in ihrer bisheri­gen Zerstrittenheit - so zusammenge­rückt.

Aufgrund einer Studie des angesehe­nen Nachrichtenmagazins „Jeune Afri- que“ (Paris) haben Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien auch allen Grund, um gegen den „Führer von Tri­polis“ zusammenzufinden:

Zum vergangenen Jahresende hat die UdSSR Libyen als erstem Nicht-Mit­glied-Staat des Warschauer Militär­paktes „Scalebord SS-12“ Boden-Bo­den-Raketenbatterien geliefert.

Die Reichweite dieser Waffen beträgt an die 800 Kilometer. Sie können mit atomaren Sprengköpfen bestückt wer­den. Die an Libyen bislang ausgefolg­ten sind bloß „konventionell“.

Im Landessüden aufgestellt, „be­streichen“ diese Raketenbatterien wei­te Grenzzonen der Nachbarstaaten, einschließlich des ägyptischen Nil- Staudammes bei Assuan.

Die libyschen Nuklearambitionen reichen aber weiter. 1973 wurde eine Atomenergiekommission gegründet. Wissenschaftler sind nach Argentinien und Amerika entsandt worden. Als „Studenten“ getarnte Raketentechni­ker - laut der Stockholmer Abendzei­

tung „Aftonbladet“ - gingen an schwe­dische Hochschulen.

1978 schloß Libyen mit der UdSSR einen Vertrag über die Lieferung eines 300 Megawatt-Atomreaktors. Er soll noch heuer in Betrieb genommen wer­den. 1979 kaufte Libyen von Niger 300 Tonnen Uranerz (Frankreich bezieht von hier 20 Prozent seines Bedarfes).

Die zwischen München und Stutt­gart wirkende „Orbital Transport- und Raketen-Aktiengesellschaft (OTRAG) hat sich 1980 im libyschen Wüstenraum um Sebha angesiedelt, formlos, ver­traglos,insgeheim,aufgrund mündlicher Zusage des Ghadhafi-Regimes.

Warum? Wegen des hier eingerichte­ten Schulungszentrum der „Islami­schen (Fremden-)Legionen“ ist das Ge­biet von der Außenwelt total abge­schirmt, das enorme Versuchsgelände liegt in der Äquatorhöhe, gleich dem amerikanischen Cap Canaveral und ist mit Tripolis durch eine erstklassige Be­tonstraße verbunden.

Der OTRAG-Nachrichtensatellit kostet „bloß“ 15 Millionen Dollar. Die Hälfte des amerikanischen Artgenos­sen „Intelsat“ und des sowjetischen „Stationär“, den Libyen bislang für teures Geld von der UdSSR zur militä­rischen Überwachung seiner feindli­chen Nachbarstaaten „mieten“ mußte.

OTRAG macht auch „kleine Rake­ten“ mit einem Abschußraum von 300 auf 500 Meter. All das wolle Ghadhafi nunmehr „hausgemacht“, erstens weil es weniger kostet, zweitens weil er dabei von den politischen Kreml-Launen un­abhängig ist.

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