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Digital In Arbeit

Ghetto-Mentalität auf dem Marktplatz

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Kirche und Medien: Darüber sprachen beim jüngst in Dürnstein abgehaltenen Dreiländertreffen deutschsprachiger katholischer Publizisten Prof Otto Roegele, Ordinarius für Publizistik an der Universität München, und P. Karl Weber von der Zürcher,,Orientierung“. Wir können ihre A usführungen leider nur in äußerst gedrängter Verknappung wiedergeben. Zum Nachdenken eignen sie sich dank gedanklicher Dichte auch dann noch …

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Kirche und Medien: Darüber sprachen beim jüngst in Dürnstein abgehaltenen Dreiländertreffen deutschsprachiger katholischer Publizisten Prof Otto Roegele, Ordinarius für Publizistik an der Universität München, und P. Karl Weber von der Zürcher,,Orientierung“. Wir können ihre A usführungen leider nur in äußerst gedrängter Verknappung wiedergeben. Zum Nachdenken eignen sie sich dank gedanklicher Dichte auch dann noch …

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Wir stehen mitten im Bewußtseinsbildungsprozeß einer neuen Weltordnung für das Informationswesen und stellen fest, daß die diesbezüglichen Bemühungen parallel einhergehen mit jenen für eine neue Weltwirtschaftsordnung. Das Nord-Süd-Gefälle zeigt sich auch im Bereich der Medien.

Es ist unterdessen wohlbekannt, daß große Teile der Weltkirche dieser Problematik gegenüber aufgeschlossen sind und mit ihrem Anliegen mit den Interessen und Vorstellungen, die sich aus der Binnensituation der Länder der nördlichen Hemisphäre erklären lassen, in einen mehr oder weniger offenen Konflikt geraten.

Die Kirche, die sich als Kirche der Armen erklärt hat, kann hier nicht gleichgültig sein, weil sie damit ihre eigentliche Sendung verraten würde.

Wenn wir Kirche sagen, meinen wir alle dasselbe und doch nicht dasselbe. Fassen wir den Begriff der Kirche oft nicht zu eng? Ein gängiges pastorales Konzept geht doch von der Vorstellung aus, daß wir in der Kirche eine Kerngemeinde von treuen praktizierenden Katholiken haben und um diesen Kern herum - konzentrisch gelagert - jene Kreise von getauften Katholiken, die sich als mehr oder weniger Fernstehende in einer Distanz zur kultisch und hierarchisch organisierten Kerngemeinde befinden.

Diese eher statische Sicht der Kirche bietet für die Erfaßbarkeit ihrer Identität gewiß begriffliche Vorteile, sie berücksichtigt aber zuwenig die Sendung der Kirche, wo es um Motivationen, Intentionen usw. geht…

Ist es nicht oft so, daß die „erklärten“ Katholiken in Fragen, die die Menschheit betreffen, unbeteiligt oder abwesend sind (ich denke da etwa an den Fragenkomplex des Überlebens der Menschheit, wo die zünftigen Moraltheologen fehlen), während Impulse des Evangeliums außerhalb der eng gefaßten Kirchlichkeit aufgenommen werden und eigentlich als manifestiertes Evangelium, ja manifestierte Kirche, in Betracht kämen?!

Uberlassen wir nicht die großen Aspirationen der Menschheit teilnahmslos einem unbestimmten Schicksal?

Innerkirchlich stellen wir immer wieder fest, daß die Gläubigen sich nur teilweise mit dem identifizieren, was die Kirche in ihrer Selbstdarstellung zu sein vorgibt. Applaus für den Heiligen Vater heißt noch lange nicht Zustimmung zu allem, was er sagt. So leicht ist es also nicht, zu wissen, was Kirche ist, die sich da in den Medien spiegelt…

• Das Amtsverständnis der Kirche hat die Kommunikatorrolle sehr stark mit dem Amt verbunden. Andere Charismen als das des Amtes traten wohl da und dort - auch in den Medien - in Erscheinung, sie bleiben aber an die dominierende Kommunikatorrolle des Amtes zurückgebunden. Daß in einer freiheitlich-demokratisch verfaßten Gesellschaft dieses Verhalten den Eindruck einer autoritären Amtskirche hinterläßt, ist verständlich.

Nachrichten über höchste und hohe Amtspersonen bekommen ein solches Übergewicht über die Nachrichten kirchlichen Lebens an der Basis, daß sie die Gläubigen gar nicht zu kommunikativem Verhalten anregen können.

• Der Unterschied zwischen Klerus und Laien wurde zwar nach dem Konzil ansatzweise (etwa Beiziehung von Laien in Seelsorgeräte) leicht modifiziert, ist jedoch im wesentlichen gleich geblieben, ja in neuester Zeit wieder betont worden. Das Klischee einer Kleruskirche ist geblieben.

• Die Rolle der Frau: Daß in einer Gesellschaft, in der die Frau langsam die Sprache findet, die Kirche hier ein eher gegenteiliges Bild bietet und dementsprechend auch im Spiegel der Medien in Erscheinung tritt, muß nicht verwundern. Die Liste der Stichwörter könnte fortgesetzt werden.

Die Kirche hat - auch in unseren Ländern - den Schritt in die Öffentlichkeit getan, sie hat das Ghetto verlassen. Hat sie aber vielleicht die Mentalität des Ghettos mit auf den Marktplatz genommen? Mir kommt vor, sie sei dort alles andere als Sauerteig, der in die Masse des Teigs eingeht, ja sich darin sozusagen auflöst.

Sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und ängstlich um ihre Identität besorgt, Ihr kommunikatives Verhalten ist immer noch absonderlich.

Ihr günstigstes Bild bekommt die Kirche dort, wo sie im karitativ-sozialen Bereich eine gewisse Form der Selbstlosigkeit annimmt. Dort ist übrigens auch die ökumenische Zusammenarbeit am überzeugendsten. Berichterstattung über das diesbezügliche Engagement der Kirche, insbesondere bei den Unterprivilegierten der Dritten Welt, haben zu einer neuen Bewußtseinsbildung und auch zu einem möglichen neuen Bild der Kirche beigetragen. In einzelnen Teilkirchen zeichnen sich bereits einige Konturen dieses Bildes ab.

Diese Entwicklung stößt jedoch innerhalb und außerhalb der Kirche auf harte Kritik und Ablehnung. Trotzdem wächst da und dort in Europa die Bereitschaft zur Erneuerung der Kirche von der Basis her.

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