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Gibt es noch ein „Amtsgeheimnis“ ?

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Da taucht ein Steuerakt auf, dort ein Protokoll. Und das Amtsgeheimnis? Politik „spielt“ mit Information. Zum eigenen Ruhm. Sonst ist die Verwaltung der Sündenbock.

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Da taucht ein Steuerakt auf, dort ein Protokoll. Und das Amtsgeheimnis? Politik „spielt“ mit Information. Zum eigenen Ruhm. Sonst ist die Verwaltung der Sündenbock.

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Ohne Zweifel gibt es zwischen Amtsgeheimnis, Medienangst und Publicitysucht (der Politik) ein Spannungsfeld. Noch immer gilt der Paragraph 46 des Beamtendienstrechtsgesetzes, der den Beamten über alle ihm amtlich zugekommenen Informationen zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Das mit Jahresbeginn 1988 in Kraft getretene Auskunftspflichtgesetz mit seiner Verpflichtung für öffentliche Organe, Bürgern in Angelegenheiten des amtlichen Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, hat allerdings deutlich gezeigt, daß dem gut gemeinten Bürgerservice Grenzen gesetzt sind. Die Einschränkungen auf „gesichertes Wissen“ und Amtsverschwiegenheit gehören hier ebenso genannt wie die Begrenzung, daß damit ein zu hoher Verwaltungsaufwand verbunden sein könnte.

Medien sind die natürlichen Vermittler zwischen öffentlichem Dienst und Bürger. Vom Anspruch her sind sie vor allem kritisches Korrelativ. Demokratie braucht Kritik, Anregung zum Leben.

Dennoch: Demokratie heißt regieren durch Zustimmung. Der öffentliche Dienst braucht daher auch die Kooperationsbereitschaft der Staatsbürger, um seine Aufgaben erfüllen zu können.

Wir alle wehren uns zunehmend gegen „endgültige“ Entscheidun- ^ gen, die entweder in unsere persönliche Sphäre eindringen oder unseren Lebensraum zu zerstören drohen. Ziel muß daher ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung sein. Dazu bedarf es aber einer systematischen und kontinuierlichen Öffentlichkeitsarbeit auch für den öffentlichen Dienst.

Prinzip „Öffentlichkeit“

Die Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft kann heute im wesentlichen nur mehr für die Landesverteidigung, im Sicherheitswesen und im Bereich des Auswärtigen Dienstes geltend gemacht werden. Dagegen sollte die Persönlichkeitskomponente — denken wir nur an den Datenschutz — eher an Gewicht gewinnen.

Ein grundsätzliches Ja zur Kontrollfunktion der Medien. Was wiegt aber höher? Das Recht der Öffentlichkeit auf Information? Oder das Recht des Bürgers auf Schutz seiner persönlichen Sphäre? Hier sollte, das nur nebenbei, auch nicht auf den öffentlich Bediensteten vergessen werden, dem etwa als „Prügelpolizist“ ohne Hilfe seiner Interessenvertretung kaum Chancen eingeräumt werden, sich gegen diskriminierende Berichterstattung erfolgreich zu wehren.

Einst war der Staat nur Garant für Recht und Ordnung. Heute ist er als moderner sozialer Wohlfahrtsstaat im Vollsinn des Wortes „öffentlicher Dienst“. Wahrgenommen werden seine Aufgaben von öffentlich Bediensteten, in erster Linie von Berufsbeamten. Eigentlich sollen sie in ihrer Aufgabe fast Unmögliches schaffen: Als Leistungsverwaltung sollte der Staat, allmächtig, das gesamte Dasein sichern, wenn es aber um die persönliche Sphäre geht, sollte er sich hingegen fernhalten.

Propaganda-Interesse

Politiker haben — und wieder stehen Wahltage vor der Tür — ein verständliches Propaganda-Interesse. So sehr sich aber Politiker um eigene beziehungsweise um Parteipublizität bemühen, so wenig wird für den öffentlichen Dienst bewußte Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

Politiker legen ihre Leistungsbilanz. Wirklich ihre?

Wer kennt schon das breite Spektrum des öffentlichen Dienstes? Wo und wann werden seine tatsächlichen Leistungen aufgezeigt? Rechtsstaat und sozialer Wohlfahrtsstaat wären ohne funktionierenden öffentlichen Dienst so undenkbar.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Politiker ist keine Öffentlichkeitsarbeit des Staates, die hier notwendig wäre. Gerade in einer Zeit, in der Bürger ihr Unbehagen an der Bürokratie äußern, Umständlichkeit, Langsamkeit und Papierkrieg mit Verwaltung gleichsetzen.

Weil den Medien dabei eine Schlüsselposition zukommt, gehört das Verhältnis von Verwaltung und Medien entkrampft, wie das schon 1985 bei einem Symposium der österreichischen Akademie für Führungskräfte in Graz festgestellt wurde.

Mißtrauen abbauen

Voraussetzung dafür ist jedenfalls das Verstehen der Arbeitsweise des jeweiligen anderen. Eine permanente Aus- und Weiterbildung sowohl für öffentlich Bedienstete wie auch für Journalisten müßte in diesem Bereich erfolgen. Und der Abbau von Mißtrauen und Vorurteilen könnte umso schneller vonstatten gehen, wenn erst einmal die bestehenden Sprachbarrieren überwunden werden.

Voraussetzung jeder effektiven Öffentlichkeitsarbeit nach außen ist aber eine funktionierende Mitarbeiterfunktion im inneren Bereich. Am Abend aus der „Zeit im Bild“ oder am nächsten Morgen aus der Zeitung zu erfahren, was es im eigenen Ressort Neues gibt, ist doch sicher nicht richtig. Denn erst der interne Mitteilungsfluß ist Voraussetzung für die Kommunikation mit Bürgern und Journalisten.

öffentlich Bedienstete in einem „gläsernen Haus“, unvoreingenommene Journalisten und ein Staat, in dem die Staatsinteressen nicht sofort mit den Interessen der an der Macht befindlichen Parteien gleichgesetzt werden — das sollte unser aller Ziel sein.

Der Autor ist Pressereferent der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

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