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Gilt Nietzsches „Gott ist tot“ auf Österreichs Bildschirmen?

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FS- 1-Intendant Gerhard Weis sprach es kürzlich vor katholischen Journalisten ganz deutlich aus: „Ohne geeignete Autoren gibt es keine religiösen Programme, keine christlich motivierten Fernsehspiele!“ Uberhaupt sei der Mangel an produzierenden Kräften trotz gewisser Fortschritte in den letzten Jahren noch keineswegs zufriedenstellend behoben, und Weis nennt auch die „Verbreiterung der kreativen Basis“ als wichtiges Anliegen für die Zukunft. Was aber vorläufig nichts daran ändert, daß viele - darunter der Vertreter der Kirchen im ORF-Kuratorium, Dr. Franz Stauber - meinen, Religion und Kirchen kämen derzeit auf Österreichs TV-Kanälen zu kurz. Kommen sie das wirklich?

Daß die angemessene Berücksichtigung der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften im Rundfunkgesetz verankert ist, bedeutet zwar eine gewisse Sicherheit, birgt aber auch eine große Gefahr. Die Programmverantwortlichen könnten glauben, mit den fix terminisierten Sendungen von Kirchenfunk und Kirchenfernsehen seien die Themen „Religion“ und „Kirchen“ für sie erledigt, im übrigen könnten sie ruhig eine „Staatsoperette“, Pornofilme und andere Programme ausstrahlen, in denen christliche Wertvorstellungen igno-

riert oder massiv in Frage gestellt werden.

Besteht tatsächlich, wie etwa Kurt Dieman befürchtet, die Gefahr der Verdrängung von Kirchen und Religion in eine „Mediensakristei“, in ein eng begrenztes Gebiet, das nur mehr die als „Belangsendungen“ (was sie keineswegs sind!) abqualifizierten Kirchenfernsehprogramme und bestimmte für religiöse Sendungen freigegebene Termine zu hohen Fest- und Feiertagen beinhaltet? Wieviel bleibt denn von Religion im ORF-Programm übrig, läßt man einmal Sendungen wie „Christ in der Zeit“, „Fragen des Christen“, „Orientierung“ oder „Theologie im Gespräch“ außer Betracht?

Für den Bereich des Unterhaltungs-programmes erklärt ORF-Filmeinkäufer Reinald Walter: „Gott existiert dort praktisch nicht.“ Das hegt in erster Linie daran, daß so selten akzeptable religiöse Streifen gedreht werden, auf die sich Walter dann ohnehin stürzt, die aber wegen ihrer hohen Ansprüche in der Regel nur im Montag-Nachtprogramm unterzubringen sind (etwa der Franziskus-Film „Brother Sun and Si-ster Moon“ oder der eine Lefebvre-Problematik behandelnde Streifen „Catholics“). Immerhin erwägt man beim ORF für nächstes Jahr den Ankauf einer englischen Dokumentarse-rie über die Geschichte des Christentums.

Daß die Angebotslücke im Inland auf das von Gerhard Weis ins Treffen

geführte Defizit an guten, engagierten Autoren zurückzuführen ist, bestätigt der Chef des Kirchenfernsehens, Dr. Anton Fellner, dem die gleiche Lücke im Kinder- und Jugendprogramm zu schaffen macht: „Offenbar fällt den Christen nicht ein, wie sie Religion an Kinder heranbringen können.“ Ginge es nach dem TV-Kritiker der „Arbeiter-Zeitung“, müßte allerdings die Kirche gegenüber dem ORF schon deshalb vor Dank zerfließen, weil gelegentlich (etwa zum Weihnachtsfest) ein Priester in „Am, dam, des“ auftreten darf. Wofür soll die Kirche bei „Ohne Maulkorb“ dankbar sein?

Natürlich muß man in allen Bereichen zwischen der Quantität und der Qualität der Berichterstattung über Kirche und Religion unterscheiden. Daß sich die Informationssendungen recht ausgiebig der Kirche annehmen, anerkennt auch der Vertreter der Volksbildung in den ORF-Gremien, KA-Präsident Eduard Ploier: „Ich bin froh, wenn die Kirche zu spüren bekommt, daß sie in einer totalen Öffentlichkeit steht und entsprechend agieren muß.“ Es hegt auf der Hand, daß dabei auch der Kirche wenig angenehme Themen behandelt werden und daß sie von den ORF-Journalisten genauso hart und kritisch angefaßt wird wie andere große Institutionen. Erfreulicherweise wird in zunehmendem Maße ein differenzierteres Bild von der Kirche präsentiert, während sie früher einmal als politisch abstinenter, fast anachronistischer Folkloreverein, ein anderes Mal als „Staat im Staate“, der sich in alles einmischt, dargestellt wurde. Daß die Kirche in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen Stellung bezieht, wird heute im allgemeinen akzeptiert und korrekt darüber berichtet.

Wenig Freude hat Ploier damit, daß die Grundwerte der Kirche im Fernsehen oft stiefmütterlich behandelt werden, weil man sich mehr am Gelebten orientiert, statt beim Finden richtiger Normen zu helfen. Daß die Kirche im Kulturprogramm praktisch überhaupt nicht präsent ist, daß sie auf dem Unterhaltungssektor warten muß, bis einem der wenigen engagierten Autoren wieder etwas einfällt, ist traurig. Hier müßte ein dauerndes Bemühen um einen Dialog mit den der Kirche fernstehenden Künstlern, Autoren, Schauspielern, Regisseuren und Produzenten vorhanden sein, dann könnten - so Ploier - „unnötige Aversionen und Aggressionen abgebaut werden“. Mit Alibikontakten oder Schimpfen wird wenig -zu erreichen sein.

Eine ausgesprochene Kirchen- und Religionsfeindlichkeit läßt sich fast nie feststellen, aber Stauber kennt einige Sendungen - notabene „Prisma“, „Ohne Maulkorb“ und „Club 2“ -, die immer wieder Gegenstand von Klagen sind und die er deswegen einer systematischen Beobachtimg unterziehen will. Beim „Club 2“ befremdet manchmal, daß trotz entsprechender Thematik (etwa Entwicklungshilfe) kein Vertreter der Kirche eingeladen wird. Der überhaupt wünschenswerte intensivere Kontakt zwischen kirchlichen Medienstellen und TV-Gewaltigen könnte auch zu einer besseren Auswahl kirchlicher „Club-2“-Gäste beitragen und hat es auch schon getan.

Fehlt schon bei den Produzenten vielfach ein christliches Engagement, so ist es leider auch bei den Rezipienten offenkundig. Statt im stillen Kämmerlein oder im kleinen Bekanntenkreis sollten die Christen ihrem Unmut oder ihrer Freude über eine TV-Sendung in einem starken Echo (Briefe, Anrufe) gegenüber dem ORF freien Lauf lassen. Wer schweigt, scheint zuzustimmen, nur ein Löwe, der brüllt, wird ernst genommen.

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