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Gipfel der Verschmutzung

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Am Mittwoch begann in Rio de Janeiro die UN-Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED), der „Erdgipfel", wie die Monstertagung (siehe FURCHE 6 und 12 / 1992) auch genannt wird. Die Chancen, daß während der zwölf Tage konkrete Strategien gegen die fortschreitende Zerstörung der Erde entwickelt werden, sind gering.

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Am Mittwoch begann in Rio de Janeiro die UN-Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED), der „Erdgipfel", wie die Monstertagung (siehe FURCHE 6 und 12 / 1992) auch genannt wird. Die Chancen, daß während der zwölf Tage konkrete Strategien gegen die fortschreitende Zerstörung der Erde entwickelt werden, sind gering.

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Die Konferenz soll „den Grundstein legen für eine globale Zusammenarbeit zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern auf der Basis von gemeinsamen Bedürfnissen und Interessen, um die Zukunft des Planeten Erde zu sichern". So tönte es noch im vorigen Jahr aus dem Mund des UNCED-Generalsekretärs, des Kanadiers Maurice Frederick Strong. Mittlerweile glaubt wohl niemand mehr so recht an entscheidende Maßnahmen und konkrete Vereinbarungen als Ergebnis der 20.000-Teilnehmer-Veranstaltung.

Drei Konventionen -also bindende Verträge -sollten ursprünglich in Rio unterzeichnet werden: zum Schutz des Klimas, der biologischen Vielfalt und des Waldbestandes. Für letzteren Bereich wird allenfalls Unverbindliches ausgehandelt werden. „Es soll zu einer Erklärung kommen, die sich für den Schutz, die Entwicklung und die aufrechterhaltbare Bewirtschaftung aller Wälder ausspricht", erläutert Renate Christ vom Umweltministerium, die an der Vorbereitung der UNCED-Dokumente mitgearbeitet hat. „Eine derartige Erklärung soll später die Basis für Verhandlungen über eine Waldkonvention sein." Derzeit ist es allerdings fraglich, ob sich die Staatengemeinschaft wenigstens darauf einigen kann. Namentlich die Entwicklungsländer beanspruchen das Recht, ihre Tropen wälder wirtschaftlich nach eigenem Gutdünken zu nutzen. Die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt „steht" seit Ende Mai. Die USA weigern sich jedoch, den von 98 Staaten akkordierten Entwurf zu unterschreiben, da er nach ihrer Ansicht mangelhaft ist.

Die Klimakonvention, das Kernstück des Umweltgipfels, liegt zwar auch unterschriftsreif vor-das Hauptziel einer vertraglich festgelegten Verminderung des Kohlendioxidausstoßes (Hauptursache des Treibhauseffekts) wurde jedoch weit verfehlt.

Dementsprechend schwammig präsentiert sich die Klimakonvention: Ihr Hauptziel umschreibt der Artikel 2 mit der „Stabilisierung von Treibhausgasen auf einem Niveau, das gefährliche Wechselwirkungen auf das Klimasystem vermeiden würde". Dieses nicht näher definierte Niveau soll nun innerhalb eines - ebenso unbestimmten - „Zeitrahmens erreicht werden, der es dem Ökosystem erlaubt, sich auf natürliche Weise dem Klimawechsel anzupassen".

Wer wann was tun oder unterlassen soll, bleibt unklar. Immerhin schwante selbst den USA, daß der derzeitige Klimawechsel zu rasch vor sich gehen könnte. Dies ist umso bemerkenswerter, als Präsident George Bush eine C02-Reduktion noch immer mit dem Argument ablehnt, die Auswirkungen des Kohlendioxidausstoßes auf das Weltklima seien noch nicht genügend erforscht.

Zumindest gelang es, in die Klimakonvention die Verpflichtung jedes Unterzeichnerstaates aufzunehmen, Treibhausgase zu verringern, über diese Maßnahmen regelmäßig zu berichten und gegebenenfalls zu erklären, warum keine Reduktionsmaßnahmen gesetzt wurden.

In Kraft tritt die Klimakonvention erst, wenn sie von mindestens 50 der Unterzeichnerländer ratifiziert, also innerstaatlich anerkannt wird. Dann gilt sie jedoch auch für Signatarstaaten, die nicht ratifizieren.

Uber die 50-Staaten-Klausel macht sich die österreichische Umweltexpertin keine Sorgen: „37 Inselstaaten sowie die zwölf EG-Länder und Österreich werden sicherlich unterschreiben und ratifizieren", glaubt Christ. Die Inseln - ob in der Südsee, in der Karibik oder etwa Malta - haben alle ein vitales Interesse an einer Trendwende in der Treibhausentwicklung: Sie laufen Gefahr, vom steigenden Meeresspiegel überflutet zu werden.

Forderungen, die manchen Staaten zu heiß sind, um sie in Konventionen festzuschreiben, finden Aufnahme in der „Agenda 21": Ein Weltentwicklungsprogramm für das kommende Jahrhundert, „das keinen rechtsverbindlichen Charakter hat, sondern nur ein moralisches Druckmittel ist", wie Renate Christ betont.

Ursprünglich sollte die Agenda konkrete Umsetzungsmaßnahmen für die sogenannte „Earth-Charta" festlegen, welche - analog zur UN-Menschenrechtsdeklaration - als ein Katalog von ökologischen und Entwicklungsgrundrechten geplant war. Da dieser weltweite Anspruch jedoch nicht eingelöst werden konnte, wurde die „Earth-Charta" in „Rio-Deklara-tion" umgetauft. Beide Dokumente müssen noch ausverhandelt werden.

Globales Ökopunktesystem

Viele wichtige Fragen, von denen die UNO selbst einen Teil behandeln wollte, sind auf der UNCED kein Thema. So kritisiert die Umweltschutzorganisation Greenpeace das Fehlen der Bereiche radioaktive Abfälle, Gentechnologie, Meeres Verschmutzung. Auch der Österreichische Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE) beklagt die mangelnde Thematisierung der Gentechnologie sowie des Zugangs zur Artenvielfalt und des intellektuellen Eigentums.

Unisono sehen jedoch alle „NGOs" (Non-Governmental Organisations) den Grund für das zaghafte Herangehen an Umweltprobleme in der gesamtwirtschaftlichen Aufteilung: Ein Viertel aller Länder verbraucht drei Viertel aller Güter. Dieses eine Viertel - in erster Linie die USA - will seine wirtschaftliche Vormachtstellung um jeden Preis aufrechterhalten.

Folgerichtig plädiert das indische Centre for Science and Environment für ein globales Ökopunktesystem: Jedem Land soll ein Budget von Treibhausgasemissionen pro Einwohner zuerkannt werden. Dieses Modell befürwortet auch der ÖIE: Es wäre unfair, wenn alle Länder ihren C02-Ausstoß am selben Stand einfrieren müßten. Das hieße, daß der Norden weiterhin konsumieren dürfte, der Süden hingegen auf seinem Niveau verharren müßte", erklärt Brigid Weinzinger, die den ÖIE bei der UNCED vertritt.

Weinzinger ist Beraterin der österreichischen Delegation und will eine Sensibilisierung vor allem für die Themen Verschuldung der Dritten Welt, Überkonsum der Ersten Welt, internationale Handelsabkommen und - Hauptproblem der UNCED -die Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen erreichen.

Sensibilisierung, Bewußtseinsbildung werden wahrscheinlich auch die größten Erfolge sein, die man vom UN-Umweltgipfel 1992 erwarten darf. Um die „Zukunft des Planeten Erde zu sichern", wird allerdings eine völlige Neuordnung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Norden und Süden nötig sein.

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