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Gipfel mit Scnlagseite

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Vom 4. bis 6. Mai diskutieren die sieben großen Industrienationen über Fragen der Weltwirtschaft. Mehr als bisher werden auch heiße politische Themen eingebracht.

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Vom 4. bis 6. Mai diskutieren die sieben großen Industrienationen über Fragen der Weltwirtschaft. Mehr als bisher werden auch heiße politische Themen eingebracht.

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Traditionellerweise werden die Staats- und Regierungschefs der sieben größten westlichen Industrieländer (Frankreich, Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, Japan, die USA und Kanada) anstehende ökonomische Probleme von globaler Tragweite erörtern und zumindest ansatzweise einer Lösung zuzuführen versuchen. Selbst das ist nicht immer leicht.

Die abschließenden Kommuniques müssen doch ein ausgewogenes und harmonisches Bild geben.

Konfliktstoff gibt es auch heuer wieder in ausreichender Menge. Vielleicht auch deshalb, weil—wie bei verschiedenen Statements der letzten Tage auffällt - die USA diesmal versuchen werden, viel mehr als bisher auch politische Themen einzubringen, sodaß dieses Treffen immer mehr den Charakter eines Weltpolitikgipfels anzunehmen droht.

Konkret soll in Tokio das Problem des Terrorismus womöglich sogar in den Mittelpunkt gerückt werden. Zweifellos eine wichtige Frage. Doch neben der allgemeinen Willenskundgebung wird es in erster Linie darum gehen, die Europäer zu verstärkten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Libyen zu drängen.

Ein anderes politisches Thema, das Ronald Reagan wahrscheinlich aufs Tapet bringen wird, ist der Nahostkonflikt. Hier hat sich der Präsident zuletzt für die Idee eines „Marshall-Planes“ (FURCHE 17/1986) für diese Region erwärmen lassen, in den alle gemäßigten arabischen Staaten und natürlich Israel einbezogen werden sollen. Die Kosten, so fürchten aber die Europäer, sollen wegen amerikanischer Budgetnöte auch auf sie abgewälzt werden.

Die eigentlichen wirtschaftspolitischen Themen, die diesmal doch einiges beinhalten, was auch für Österreich Konsequenzen haben könnte, sind: Die Fragen der Sicherung des Fortbestandes der weltweiten Konjunktur er holung. Die USA meinen, daß sie diesbezüglich in den letzten Jahren durch ihre expansive Budgetpolitik und den hohen Dollarkurs ihren Beitrag geleistet haben. Nun läge es vor allem an Bonn und Tokio, durch geeignete Maßnahmen für den Fortbestand und die Stärkung des weltweiten Aufschwungs zu sorgen.

Bedauerlich für Österreich -aber Bundeskanzler Helmut Kohl hat bereits abgewunken. Er sieht keinen Handlungsbedarf für expansives Verhalten seines Landes. Für ein Wiederaufleben der Lokomotiv-Theorie und eine Kontroverse darüber gibt es seiner Meinung nach keinen Anlaß. Vielmehr befinde sich sein Land in der Rolle des Musterschülers, der seine Hausaufgaben seit dem vorjährigen Bonner Gipfel bestens erledigt habe und mit einer voraussichtlichen Rate von 3,5 bis vier Prozent heuer ohnehin das höchste Wirtschaftswachstum von allen Teilnehmern erreichen werde.

Vielmehr möchte Kohl in Tokio das Problem der Handelsbilanzungleichgewichte Japans diskutiert sehen, was als Spiel mit dem Feuer erscheint, da ja auch der Handelsüberschuß der BRD bekanntlich nicht von schlechten Eltern ist.

Insbesondere der sprunghafte Anstieg des japanischen Handelsüberschusses auf fast 53 Milliarden Dollar im letzten Jahr hat Unmut erregt. Nach Ansicht der Europäer und Amerikaner ist dieser Uberschuß großteils struktureller Natur und muß auf mittlere Sicht entschiedener als bisher bekämpft werden. Die Aufwertung der japanischen Währung ist dabei nur ein Aspekt.

In diesem Zusammenhang wird in Tokio vermutlich der „Maeka-wa-Report“ intensiv diskutiert werden, in dem eine weitreichende Umstrukturierung der gesamten japanischen Wirtschaft empfohlen wird. Der Schwerpunkt der Entwicklung soll vom Export auf die Binnenkonjunktur verlagert werden.

Uberhaupt scheint man das Vertrauen in die ewigen Lippenbekenntnisse der Japaner zur Marktöffnung nun endgültig verloren zu haben, weshalb man sie mit der Einbremsung des starken Anstiegs des Yen-Kurses vorläufig wohl noch etwas „dunsten“ lassen wird. Seit Ende September des Vorjahres ist der Yen-Kurs um runde 40 Prozent gegenüber dem Dollar angestiegen, was der japanischen Exportindustrie entsprechend zusetzt.

Daher will sich Premier Yasuhiro Naka-sone am Gipfel für ein koordiniertes Vorgehen der Partner an den Devisenmärkten zwecks Stabilisierung einsetzen, ja, es soll ein ausgesprochener „Währungsgip-fel“ werden.

Das ist im allgemeinen auch im Interesse der anderen Teilnehmer. Alle befürworten eine Verminderung der starken Schwankungen der Wechselkurse. Damit steht aber auch das Währungssystem überhaupt zur Diskussion. Dabei wurde zuletzt stark der Vorschlag eines Systems mit Zielzonen in gewisser Analogie zum Europäischen Währungssystem besprochen. In einem solchen System werden Mittelkurse für die einzelnen Währungen bei Festlegung von Schwankungsbreiten der Kurse nach oben und unten bestimmt. Die Skepsis ist zuletzt aber wieder gewachsen. Voraussetzung für ein solches System ist ein hohes Maß an Ubereinstimmung der wirtschaftlichen Grunddaten, was in der Weltwirtschaft wohtnoch viel schwieriger zu erreichen sein wird als selbst in Westeuropa.

Zu diesem Problembereich gehört auch die Frage, ob es am Gipfel zu einer Absprache über eine weitere Zinssenkungsrunde kommen wird, die die internationale Konjunktur stimulieren soll. Im Augenblick scheint das schwer vorhersehbar; Japan wird zweifellos auf einen solchen Schritt drängen. Auch die Amerikaner könnten solches befürworten, zumal sich ihre Konjunktur vorläufig nicht ganz so gut entwickelt wie erhofft. Zurückhaltend ist in dieser Frage wiederum die Bundesrepublik, wo man es nicht für notwendig hält, die durch die ölpreisverbilligung ohnehin gestärkten binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte weiter zu forcieren und wo zuletzt auch hohe Kapitalabflüsse zu verzeichnen waren.

Andere Themen, was nicht heißen soll, daß sie weniger wichtig wären, sind die handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Beitritt von Spanien und Portugal, die Einberufung einer neuen GATT-Verhandlungsrunde (FURCHE 18/1985), natürlich nach wie vor die internationale Schuldenproblematik und anderes mehr.

Zumindest indirekt ist Österreich von Gipfelgesprächen dieser Art natürlich immer betroffen, auch wenn es überhaupt keinen Einfluß auf die dort behandelten Themen, geschweige denn auf die Resultate hat. Diesmal aber scheint es so zu sein, daß die Ergebnisse von Tokio — sollte es solche in konkreter Form geben -einige Relevanz auch für österreichische Entscheidungen haben könnten.

Der Autor ist Referent in der volkswirtschaftlichen Abteilung der Nationalbank.

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