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Gläserne Taschen auch für den ÖGB?

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Der ÖGB hat den Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreter Has-lauer wegen „Kreditschädigung“ geklagt, da dieser bei einer Veranstaltung zwar verklausuliert, alber doch unmißverständlich und in aller Öffentlichkeit erklärt hat, daß ein Teil der Zinsen, die der ÖGB von der BAWAG für seinen Streikfonds bekomme, der SPÖ zuflössen.

Haslauer ist — bisher — nicht bereit, seine Behauptung zurücteoneh-men, er stellte vieknelhr einen Beweisantrag auf Offenlegung des Ge-warkschaftsbund-Vermögens. ÖGB-Sekretär Ströer replizierte bereits, die Meinung, den Gewerkschafts-bund mit Hilfejdes Gerichts zur Ver-irnögensdekiaration zwingen zu können, sei absurd, da diese Frage nicht Gegenstand der Verhandlung sei.

Strikt formaljuristisch könnte Ströer — der richterlichen Entscheidung soll nicht vorgegriffen werden — recht haben, Haslauers Vorstoß scheint aller Voraussicht nach ein Versuch mit untauglichen Mitteln au sein. Darüber hinaus dürfte es dem ÖGB mit größter Wahrscheinlichkeit nicht schwerfallen, in dem zur Diskussion stehenden Detailproblem seinen Prozeßgagmer zu widerlegen. Zum einen wissen wir aus Erfahrung, daß es einem Gericht kaum möglich ist, komplizierte und verschachtelte Finanztransaktionen tatsächlich transparent zu machen, zum anderen können wir sicher sein, daß der ÖGB eine eventuelle Parteienfinanzierung nicht so ungeschickt anstellen würde wie seinerzeit ein Polcar.

Wann aber auch Haslauer seinen Prozeß verlieren soEte, so ändert dies nichts an der prinzipiellen Berechtigung seiner Forderung. Zweifellos ist der ÖGB einer der größten — wenn nicht der größte — Kapitalist in Österreich, weshalb legitimes Interesse der Öffentlichkeit auf Information besteht. Geraide die Gewerkschaften können aber auf Grund der bestehenden Gesetzeslage und auf Grund von quasigesetzlichen Farteienvereinibarungen nicht gezwungen werden, ihr Vermögen und dessen Verwendung zu deklarieren.

Aber selbst ein gerichtlicher oder gesetzlicher Zwang zur Offenlegung würde wahrscheinlich ein Schlag ins Wasser sein, da der „ÖGB-Konzern“ mit dem bestehenden Gesalilscbafts-recht nur zum allergeringsten Teil

faßbar ist. Teilweise handelt es sich um . selbständige Firmen, die nur durch personelle Gemeinsamkeiten in den Führungsgremien an den \.Konzem“ gebunden sind,' teilweise besteht wohl eine kapitaknäßige Bindung, aber nicht direkt an dem ÖGB, sondern an irgendein anderes Unternehmen, das einerseits wieder direkt oder indirekt mit dem Gewerk-schaftsfbund oder einzelnen Gewerkschaften liiert ist

Wenn also der Gewerkschaftsbund einer Partei Gelder zukommen lassen wollte, so müßten er oder die Einizölgawerkschaften überhaupt nicht in Erscheinung treten, sondern irgendwo in dem weitverzweigten Quasi-Konzern kann ein Finanzhahn unter irgendeinem Titel — er muß gar nicht Parteisufovention heißen — aufgedreht werden. Darüber hinaus muß es sich gar nicht immer um Geldmittel, sondern es kann sich auch um Sachwerte handeln, die ganz zufällig irgendeiner Gruppe zu sehr günstigen Konditionen zugute kommen. Der ÖGB könnte also, wenn er wollte, und er kann, ohne sich zu deklarieren.

Der ÖGB-„Konzem“ umfaßt neben der BAWAG — immerhin dem drittgrößten Bankinstitut Österreichs, das seinerzeit ausdrücklich von der Verstaatlichung ausgenom-men wurde, obgleich es größenmäßig daruntergefallen wäre — vor allem Versicherungsgesellschaften, Baugenossenschaften, Konsumgenossenschaften, Handellsketten, sonstige Kredit- und Finanzierungsinstitute, Medien (wie das Presseihaus) usw.

Die Transparenz leidet zusätzlich durch die internationalen finanziellen Interdependenzen, speziell zwischen der BAW/iG und der Bank für Gemeinwirtschaft, ihrem westdeutschen Pendant. Gerade der Deutsche Gewerkschaftsbund als die finanziell wahrscheinlich mächtigste europäische Gewerkschaftsorganisa-tion überhaupt, hat — obgleich ansonsten ein militanter Streiter gegen die „Multinationalen“ — selbst einen multinationalen Konzern aufgebaut: die Wohnungs- und Siedkmgsgenos-senschaft „Neue Heimat“ mit Toch-tergeseailsehaften, in Österreich (Wien, Linz, Innsbruck), Frankreich, Italien, der Schweiz, Luxemburg, Großbritannien, Belgien, Venezuela, Kanada, den USA, Mexiko und Israel.

Uber all das fehlen der Öffentlichkeit Informationen. Die „freimütige“ Rechenschaftslegung des österreichischen Gewerkschaftsbundes über seine Finanzen, deren er sich beharrlich rühmt und die auch in seinen eigenen Publikationen veröffentlicht werden, beschränkt sich im großen und ganzen auf die Verwendung des jährlichen Mitgliedsbeitragsaudikommens, wobei nur prozentuell und sehr pauschaliert die Verwendungszwecke aufgezählt werden.

Die finanzielle Geheimpolitik des ÖGB steht in eklatantem Widerspruch zu der Forderung nach „Gläsernen Taschen“, die gerade er konstant an alEe anderen stellt. Er verlangt rigorosere Bestimmungen für die Bilanzen der Aktiengesellschaften und die Ausdehnung der Publikationspflicht auf möglichst viele Gesellschaftsformen. Er selbst aber dispensiert sich von jeder Publikation, obwohl gerade bei einem Machtfaktor wie dem ÖGB ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit daran bestünde.

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