6832113-1974_44_19.jpg
Digital In Arbeit

Glanz und Tragik der katholischen Pressvereine

Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichischen katholischen Pressvereine sind, so merkwürdig dies klingen mag, ein Kind der liberalen Zeit. Als mit der Verfassung von 1867 in Österreich ein liberales Regime zur Herrschaft kam, mußte es, wollte es seinen Grundsätzen nicht untreu werden, den österreichischen Staatsbürgern viele persönliche Rechte zuerkennen, darunter auch ein weitestgehendes Vereinsrecht. Auf Grund dieses liberalen Vereinsrechtes bildeten sich schon knapp nach Erlassung der Dezember-Verfassung von 1867 in den verschiedensten Diözesen Österreichs sogenannte Pressvereine, die es sich zur Aufgabe machten, durch Zeitungen und Zeitschriften, durch Periodika und Bücher das katholische Glaubensgut darzustellen und vor allen Dingen zu verbreiten. War doch der damalige Liberalismus weitgehend antikirchlich eingestellt.

Auf dem Gebiete des heutigen Österreich entstanden so eine Reihe von katholischen Pressvereinen, die im großen und ganzen bis heute ihre Existenz erhalten konnten. Der älteste Pressverein ist der der Diözese Seckau (Graz), der 1869 entstand, ihm folgte schon knapp der Fress- verein der Diözese Linz, dann der Pressverein der Diözese St. Pölten, der Pressverein für die Diözese Gurk, der Vorarlberger Pressverein, der Vorläufer der heutigen Verlagsanstalt Tyrolia, der sich zunächst als Pressverein in Brixen etablierte. Es folgten noch der Pressverein für die Erzdiözese Salzburg, ferner ein kleiner Pressverein in Steyr und 1894 die Gründung des Pressvereins Herold, der ursprünglich den Namen „Verein Reichspost“ trug und erst knapp vor dem Ersten Weltkrieg diesen Namen in „Verein Herold“ umänderte.

Die Konstruktion dieser Pressvereine folgte durchwegs einem einheitlichen Schema: sie waren Vereine bürgerlichen Rechts mit konfessionellem Charakter. Sie waren (und sind) somit nicht Vereine kirchlichen Rechts. An der Gründung der Pressvereine hatten viele der damaligen Diözesanbischöfe wesentlichen Anteil. Dennoch war von Anfang an die Rolle der verschiedenen Ordinarien in diesen diversen Pressvereinen fast meist nur die eines Protektors. Dadurch wurden diese Vereine des Schutzes der Hierarchie teilhaftig; auch eine Garantie, daß diese Vereine tatsächlich immer ihrer konfessionellen Natur gerecht wurden, war damit gegeben. Das Protektorat der Bischöfe räumte ihnen natürlich auch eine Reihe von Sonderrechten ein, die allerdings recht gemäßigter Natur sind, wie z. B. die Einberufung außerordentlicher Generalversammlungen, manchmal eine Bestätigung der Wahl des Obmannes, oder Erteilung der Zustimmung zu Satzungsänderungen und zur Auflösung des Vereins und in diesem Falle auch zur Verfügung über das Vermögen des aufgelösten Vereines. Diese Rechte besitzen die Hierarchien wohl auf Grund ihrer hohen kirchlichen Stellung, aber formalrechtlich auf Grund der Statuten des Vereins.

In diesen Pressvereinen organisierte sich, lang bevor von einer „actio catholica“ und einer „actio catholicorum“ die Rede war, eine echte katholische Aktion, eine Zusammenarbeit von Laien und Priestern im Zusammenwirken mit den Bischöfen. Lange auch bevor von der Demokratie in der Kirche gesprochen wurde, wurde hier eine Demokratie praktisch gehandhabt, in Bereichen, in denen eine Demokratie in der Kirche möglich ist.

Die Zeitungen und Zeitschriften, die diese Pressvereine herausgeben, wurden vielfach durch freiwillige Spenden finanziert, aber vor allen Dingen auch durch die Erträgnisse der Druckerei, die alle diese Pressvereine von Anfang an besaßen. Diese Druckereien waren und sind die eigentliche Bank und Finanzquelle aller dieser Pressvereine.

Die Zeitungen und Zeitschriften dieser Pressvereine waren allesamt politisch unabhängig, das heißt, sie gehörten keiner Partei. Aber sie unterstützten von Anfang an die Politik jener Parteien, die die Verteidigung des Christentums und die

Durchsetzung der christlichen Ideen auf ihre Fahne geschrieben haben. Das waren die katholisch-konservative Partei und vor allen Dingen die christlichsoziale Partei. Viele Organe der Pressvereine erschienen äußerlich fast als Organe der letzteren Partei. Dadurch wurde diese der Aufgabe enthoben, ein eigenes Pressewesen aufzubauen und vor allen Dingen auch zu finanzieren. Eine Tatsache, die später einmal recht unangenehme Folgen nach sich ziehen sollte. Denn als nach dem Umbruch von 1945 die österreichische Volkspartei, die zwar nicht rechtlich, aber doch inhaltlich in vielen Dingen eine Nachfolgerin der Christlichsozialen Partei war, aus taktischen Gründen eine Äquidistanz zur Kirche vollzog, ohne die christlichen Grundsätze aufzugeben, sah sie sich vor die Aufgabe gestellt, ein eigenes Pressewesen aufzubauen. Durch Jahrzehnte nicht gewohnt, ein solches zu betreuen, kam es relativ bald zu einer Katastrophe. 1970 mußte das Zentralblatt „Volksblatt“ eingestellt werden, 1974 das „Niederösterreichi- sche Volksblatt“. Damit besitzt die zweitgrößte Partei Österreichs, die lange die erste war, kein ihr entsprechendes Pressewesen.

Die Auflagen der Zeitungen und Zeitschriften, die diese Pressvereine herausgaben, waren gegenüber der liberalen und auch der sozialistischen Presse relativ klein. Nur drei Tageszeitungen, die von Pressvereinen herausgegeben wurden, erlangten, und dies erst recht spät, eine beachtliche Höhe. Die vom Pressverein Herold verlegte Tageszeitung „Die Reichspost“ konnte am Vorabend des Ersten Weltkrieges eine Auflage von 55.000 Exemplaren erreichen. Die im Jahre 1903 vom steirischen Pressver- ein (Styria) gegründete „Kleine Zeitung“ erreichte ebenfalls eine Höhe, die schon die Hunderttausend überschritt; sie ist heute die auflagenstarkste Bundesländerzeitung Österreichs. Das vom Pressverein Herold 1929 ins Leben gerufene „Kleine Volksblatt“ (zu seiner Gründung hatte Kardinal Piffl 100.000 Schilling — damaliger Währung — gestiftet, Prälat Seipel, Mitglied des Vereines Herold und einst auch dessen Obmann, brachte durch Sammlungen innerhalb der Christlichsozialen Partei 130.000 Schilling auf, und der damalige Obmann des Vereines Herold, Prälat Fried, brachte durch unermüdliche Sammlertätigkeit ebenfalls nochmals 130.000 Schilling zusammen. Auch der heutige Bundesrat Dr. Fritz Eckert fuhr als 16jähriger junger Mann mit seinem Rad von Dorf zu Dorf, um Propaganda für dieses Blatt zu betreiben und Spenden einzukassieren), brachte es vor dem Umbruch im Jahre 1938 zu einer Auflagenhöhe von weit über Hunderttausend.

Dennoch darf aber auch die Wirksamkeit der anderen von den Pressvereinen herausgegebenen Organe, die oft nur eine Auflage von 6000 Exemplaren erreichten, nicht unterschätzt werden. Das gleiche gilt von den Kalendern (Reimmichl-Kalen- der). Sie erreichten doch eine ziemlich breite Streuung und stärkten durch ihre konsequente katholische Haltung die vom Liberalismus und von der Sozialdemokratie schwerst bedrängten Katholiken. Ohne diesen Kampf der katholischen Pressvereine Österreichs wäre die heutige günstige Situation der katholischen Kirche in diesem Lande nicht denkbar.

Während des NS-Regimes wurden alle katholischen Pressvereine beschlagnahmt. Sie batten durch ihre Presseorgane und durch ihre Buch- produfction einen ebenso konsequenten österreichischen wie antinazistischen Standpunkt eingenommen. Nach Ende der NS-Besatzung kannten sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Das alte Bündnis mit der Christlichsozialen Partei wurde kaum noch erneuert. Einige Organe der

Pressvereine verteidigten weiterhin die Politik der ÖVP. Der Pressverein Herold unterstützte die ÖVP in einmaliger Weise, indem er 1945 sein größtes Objekt „Das kleine Volksblatt“ an die ÖVP nur gegen die vage Zusicherung eines ewigen Druckvertrages geradezu verschenkte. (Als der frühere Vizekanzler Richard Schmitz Generaldirektor des Herold-Verlages wurde, bemerkte er als alter politischer Praktiker sofort die Schwächen dieser Vereinbarung und versuchte zu retten, was zu retten war. Aber ein mehr als 20jähriger Druckvertrag war nicht zu erreichen, der dann allerdings noch einmal um fünf Jahre verlängert wurde).

So bildet die Geschichte der katholischen Pressvereine einen wesentlichen Bestandteil der österreichischen Zeitungs- und Zeitschriftengeschichte. Geblieben sind aus der Vergangenheit die einzelnen imposanten Unternehmungen dieser Vereine, die heute fast alle nicht nur Druckereien, Zeitungsverlage, Buchverlage, sondern auch viele Buch- und Papierhandlungen betreiben. Geblieben irt allerdings auch ein anderes Erbe: So wie sie einst durch ihre Tätigkeit die Christlichsoziale Partei der Aufgabe enthoben, sich um den Aufbau eines eigenen Pressewesens zu kümmern, haben sie vielfach bei den eigenen Katholiken das Denken, sich um die Existenz eines katholischen Pressewesens Sorge zu machen, zum Erlöschen gebracht. Der 1905 gegründete Pius- Verein hat in diese Situation eine Bresche geschlagen, aber seine Tätigkeit ist schon lange erloschen. So lastet die Sorge um das katholische Pressewesen auf den Vorständen, den Direktionsräten und Geschäftsführern der Pressvereinsuntemehmun- gen. Einer relativ kleinen Anzahl von Personen, die dadurch mit einer schweren Last beladen sind. Denn auch die Mitgliedschaft bei den Vereinen, sie ist ohnedies nirgends zahlreich verpflichtet, wenn ein Mitglied nicht gerade in den Vorstand gewählt wird, kaum mehr als zu einem wohlwollenden Interesse. Aber geblieben ist auch ein viel zu geringer Kontakt dieser Vereine untereinander, der sich fast in erster Linie auf persönliche Freundschaft beschränkt und nur wenige funktionelle Zusammenarbeit erbrachte. Unter letztere fällt die Zusammenarbeit mit der Kathpress, mit dem Domantiquariat, mit der Vereinigung des katholischen Buchhandels.

Der Leser verzeihe nun, wenn ich hier einige persönliche Erinnerungen aus meiner nun schon zwanzigjährigen Geschäftsführertätigkeit erzähle: schon knapp nach Beginn meiner Tätigkeit versuchte ich Propaganda für die Gründung einer gemeinsamen Bank, an der alle Pressvereine beteiligt sein sollten, zu machen. Eine solche Bank hätte nicht nur die vielen Bankspesen, die die Unternehmungen der Pressvereine den diversen Bankinstituten zur Verfügung stellen müssen, selbst einnehroen können und dadurch wieder in den gemeinsamen Sack der Pressvereine zurückgeleitet. Sie hätte auch den diversen Unternehmungen der Pressvereine bei der Bereitstellung von Krediten ständig behilflich sein können. Aber ich drang nicht durch. Ebensowenig wie mit der Idee, alle Pressvereine möchten zusammen eine Papierfabrik erwerben, um unabhängiger von den diversen Papierpreisschwankungen auf dem Papiermarkt zu sein. Auch die Idee, die katholischen Verlage, die Auslieferungen und Buchverlage betreiben, möchten diese in Form einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfassen, drang nicht durch, ebensowenig wie die Idee, die katholischen Verlage möchten sich untereinander Sonderrabatte beim Bezug von Büchern einräumen oder die Idee, katholische Verlage möchten die Auslieferung ihrer Bücher doch wenigstens bereits bestehenden Auslieferungsabteilungen katholischer Verlage und nicht neutralen anver- trauen. (Es wäre anderseits undenkbar, daß ein sozialistischer Buchverlag seine Bücher einer nichtsozialistischen Auslieferung übergibt.) Ungefähr anfangs der 60er Jahre machte ich dem steirischen Press- verein den Vorschlag, daß er mit Herold zusammen eine Wiener und niederösterreichische Ausgabe seiner „Kleinen Zeitung“ herausbringen sollte. Damals war schon die Rede davon, daß das „Kleine Volksblätt“ auf das Großformat übergehen wollte — was ich für einen kolos- salen Fehler hielt, der sich als solcher auch entpuppte —, während die „Kronen-Zeitung“ noch keineswegs gefestigt in ihrer Existenz war. Ich erklärte strikt, daß ich weder an der Verwaltung noch an der Redaktion irgendein Interesse hätte, sondern. mich nur am Druckauftrag interessiert zeigte. Aber die Styria lehnte ab. Aus sehr begreiflichen Gründen: sie stand damals im Begriff, ihr Unternehmen ganz umzubauen und zu erneuern, welcher Plan außerordentlich hohe Kapitalien in Anspruch nahm. Vielleicht spielte auch der Gedanke unbewußt eine Rolle dabei, daß „der Marsch“ von Steirern nach Wien eigentlich nie recht gelungen war. (Pfriemers Heimwehr blieb auf dem Semmering stecken, Rintelen kam zwar bis ins Hotel Imperial, aber dann wurde er verhaftet, Friedrich III. gelangte nur bis Wiener Neustadt und lediglich Ferdinand II., der vor Erlangung der Kaiserwürde Herzog von Steiermark war, konnte eine ständige Herrschaft in Wien errichten). Vielleicht spielte auch der Gedanke eine Rolle, daß für die Verwirklichung dieses Planes doch sehr erhebliche Kapitalien zur Verfügung stehen müßten. Wie gut wäre es gewesen, wenn in diesem Augenblick die gemeinsame Bank der Pressvereine existiert hätte. Vielleicht aber wäre die Politik Österreichs in anderen Bahnen gelaufen, wäre dieser Plan gelungen, wahrscheinlich hätte die „Kronen- Zeitung“ nie jene Rolle gespielt, die sie heute spielt.

Die heutige Zeit drängt immer mehr zur Kooperation und immer mehr zu einer auch strukturell sich auswirkenden Zusammenarbeit. Die österreichischen katholischen Pressvereine könnten sichėrlich ihrer Aufgabe noch viel besser gerecht werden, wenn sie auf weiten Gebieten Zusammenarbeiten und sich helfen würden, denn sie stellen einen außerordentlich mächtigen Block dar (was ihnen nicht immer gegenwärtig ist), dessen Dienste der österreichische Katholizismus nicht entbehren kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung