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Digital In Arbeit

Glauben in Vorarlberg

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Wenn man nach seiner Arbeit irr den Massenmedien gefragt wird, tut man sich nicht leicht, auch wenn man schon länger in diesem Geschäft ist. Vielleicht auch deshalb, weil man als Priester sicher mit dem Bleistift oder der Schreibmaschine anders umge-

hen muß als der Journalist. Ein guter und korrekter Journalist wird nicht mit den Belastungen an eine Sache herangehen, die einem Schreiber aufgeladen sind, der aus einer ganz bestimmten Ecke kommt.

Automatisch ist das Feld der Ehrlichkeit auch eingegrenzt, weil die Liebe vorschreibt, manche Dinge nicht zu schreiben, wo die Gerechtigkeit eigentlich sagt, man müßte es tun. Und so will man ehrlich sein, ist es wahrscheinlich auch, aber’ die Wahrheit in ihrer nackten Weise wird manches Mal nicht auftreten, weil sie zu wehe tut. Und wenn sie zu wehe tut, dann ist sie wahrscheinlich, zumindest christlich gese- hen, nicht mehr. Was aber wieder nicht heißt, daß nicht gerade der christliche Journalist dort auf- schreien muß, wo es um die Gerechtigkeit oder eben um die mißachtete Gerechtigkeit geht. So muß man eben zwischen den

Klippen der Gerechtigkeit und der Liebe das redliche Boot hindurchsegeln.

Das nur als Vorwort dafür, daß das, was ich jetzt schreibe, noch komplizierter ist, weil es nicht auf einen größeren Raum hin gesagt ist, sondern nur auf Vorarlberg. Ich habe auf Grund meiner Arbeit entdecken können, daß der Glaube und das Christentum in Vorarlberg, wie ich es sehe, keine einheitliche Sicht bieten können. Obwohl man uns hier eine gewisse Konservativität nachsagen will, dürfte es doch so sein, daß beispielsweise in den Bibliotheken der Vorarlberger Priester modernere theologische und philosophische Werke stehen als anderswo. Das rührt schon daher, daß weder die Schweiz noch Deutschland fern sind. Und damit sind auch gute Büchereien nicht fern.

Auch die Auseinandersetzung mit den Menschen anderer Nationen, die der Schönheiten des Lahdes wegen oder aus wirtschaftli-^ chen Gründen hierherkommen, dürfte zu einer gewissen Offenheit auch in der Religion führen. Die Palette der Vorträge des Katholischen Bildungswerkes zeigt ebenfalls viel internationale Farbe. Ferner färbt die Tatsache ab, daß sich im nahen Lindau jährlich die Nobelpreisträger treffen.

Es geht mir nur darum, aufzuzeigen, daß gewisse Reaktionen auf meine journalistische Arbeit aus einem Bereich kommen, der von hohem Geist und hoher Kritikfähigkeit zeugt, wobei ich manches Mal den Eindruck habe, daß derjenige, der kritisiert, seinen Mercedes auch nicht hergeben will, aber möchte, daß der Kaplan seinen Fiat verkauft. So, als ob die Bibel nur für den „Beamten“ gälte, nicht aber für den normal sich gläubig Fühlenden.

Mit der sozialen Kritik verbunden oder auch allein, dafür aber dann vehement, wird der Wunsch an den schreibenden Priester herangetragen, sich absolut für den Frieden einzusetzen. Bisweilen hat man den Eindruck, als ob man der größte Kriegshetzer wäre. Was aber meiner Ansicht nur zeigt, daß wir hier in diesem Land ein Volk sind, das gerne Frieden im Haus hat, was sicher kein schlechtes Zeichen ist. Für mich immer überraschenderweise zeigt die Liebe zum Frieden manchmal sehr militante Züge. Und zwar erscheinen sie .dort, wo man gerade den größten Frieden vermutet, nämlich im Bereich einer ganz besonders betonten Marienverehrung.

Wenn man in Vorarlberg einen wirklich bösen und sicher auch nicht unterschriebenen Brief bekommen will, dann muß man nur etwas scheinbar Unpassendes über Maria sagen. Da kann man gegen den Bischof schimpfen und wird eher Zustimmung bekommen als für etwas Kritisches über falsche Marienverehrung. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß die Mutter in Vorarlberg viel gilt, und das scheint auch wieder kein schlechter Zug zu sein, wenn man in der Mutter das gefühlsmäßige Zentrum des Lebens sieht.

Auf der anderen Seite ist der Vorarlberger Föderalist und auch Demokrat, und er hat es nicht gern, wenn man ihm seine Priester versetzt, und er ist dann sogar bereit, den letzten, meistens größeren Rest von Monarchie aus seinem Innern zu verbannen und gemeinsam auf Barrieren zu steigen, wo er sonst gerne für sich allein im Kämmerlein dahinglaubt. Und ich glaube, daß ihm gerade dieser Zug zur Gemeinschaft guttut, es ist ja auch der jugendliche Zug der Kirche, der mehr zu Gemeinschaft und gemeinsamer Hoffnung drängt.

Kaplan August Patemo schreibt für die Neue Vorarlberger Tageszeitung und für den Wiener Kurier, ist Mitherausgeber der Monatszeitschrift „Welt in Christus“ und spricht im Radio in der Sendung „Einfach zum Nachdenken“ sowie im Radio Regional jeden Freitag das Wort zu den Kranken. Im Fernsehen moderiert er mit vier anderen Geistlichen die Sendung: „Fragen des Christen“. An der Bundeshandelsakademie Bregenz unterrichtet er Religion.

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