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Arme Jugend
Alt werden wollen alle, alt sein will niemand. Und alle wollen jugendlich bleiben — möchten siejieute aber auch jugendlich sein?
Kein Zweifel, materiell geht es den meisten heute um vieles besser als Jugendlichen früher. Es werden ihnen mehr Freiheiten eingeräumt, autoritäres Erwachsenengehabe gibt es kaum mehr, ihnen stehen Möglichkeiten offen, von denen man als Jugendliche(r) früher nicht zu träumen wagte.
Trotzdem ertappe ich mich immer häufiger dabei, daß ich Jugendliche heute eher bedaure als beneide. Ihre Berufsaussichten sind schlecht, ihre Umwelt wird zunehmend zerstört, die Nahrung ist vergiftet, Sexualität von Aids nicht mehr zu trennen; kaum ein Fleckchen Erde, wo es nicht Krieg, Gewalt, Hunger, Elend oder Unterdrückung gibt. Von Politik und Kirche ganz zu schweigen. Und keine Möglichkeit, sich dem Negativen - auch im Alltag - zu entziehen, da die Massenmedien offensichtlich nur in Katastrophen schwelgen. Sind das die unbegrenzten Freiheiten und Möglichkeiten, die Jugendlichen offenstehen?
Untersuchungen bestätigen immer wieder, daß die Interessen Jugendlicher immer stärker nur sie selbst und bestenfalls noch ihre unmittelbare Umgebung betreffen, daß gesellschaftliches und soziales Engagement Seltenheitswert haben. Mich wundert das nicht. Eher erstaunt mich, daß es überhaupt noch Jugendliche gibt, die doch noch Hoffnungen und Utopien haben.
Positiv-lebhaftes Interesse an Kindern und Jugendlichen zeigt die Wirtschaft, zeigen Politiker, wenn sich Jugendliche dem Wahlalter nähern, zeigen alle (un)möglichen Gurus, deren Angebote jene Sinn-Lücken füllen, die unsere beste aller Welten zunehmend hinterläßt.
Wäre ich heute jung, ich würde es machen wie die Erwachsenen: rücksichtslos nehmen, was ich kriegen kann; nur mich ernst nehmen, da es kaum jemand anderer tut und meinem Vergnügen nachjagen, da die Schul- und Arbeitswelt offensichtlich so unerfreulich ist. Und da ich keine Zukunft hätte, würde ich wenigstens die Gegenwart genießen - denn sogar das haben die Erwachsenen heute verlernt.
Sie meinen, das klingt zynisch? Wundert Sie das?
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