Auferstehung als Lebenskunst

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Die Autorin Hildegund Keul über "Theologische Lebenskunstforschung".

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Die Autorin Hildegund Keul über "Theologische Lebenskunstforschung".

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Seit einem Monat leben vier Frauen aus Charkiw mit ihren vier Kindern im Haus meiner verstorbenen Mutter. Täglich nehmen sie Kontakt mit der Ukraine auf – mit den Ehemännern, dem 19-jährigen Sohn, der gelähmten Mutter. Für die Geflüchteten beginnt jeder Tag mit der bangen Sorge, ob ihre Lieben überhaupt noch leben oder ob sie unter Trümmern begraben sind, tot oder lebendig. Den für mich berührendsten Moment erzählte meine Schwester. Eine Mutter, gerade bei uns angekommen, versuchte das erste Mal, ihren Mann zu erreichen. Als er endlich auf dem Bildschirm erschien, konnte sie ihm sagen: Wir sind in Sicherheit. Wie geht es dir?

Zur selben Zeit nahm ein Wissenschaftsnetzwerk seine Arbeit auf, in dem es um „Theologische Lebenskunstforschung“ geht. Der Ukraine-Krieg fordert diese Forschung heraus. Er ist der Lackmustest christlicher Lebenskunst. Oder ist diese Kunst am Ende, sobald ein Krieg ausbricht? Die Kartage und das bevorstehende Osterfest erinnern daran, dass es hier nicht um weichgespülte Wellnessprogramme geht. Christliche Lebenskunst hat sich zu bewähren für Menschen, die in einen Krieg gezwungen werden und plötzlich Soldat(inn)en sein müssen; für Menschen, die den nahen Einschlag der Bomben noch in allen Gliedern spüren und nicht wissen, was aus ihrem zerbrechenden Leben wird.

Wir fangen gerade erst an, die Bedeutung dieser Zeitenwende zu buchstabieren. Auch angesichts eines Krieges, den der Moskauer Patriarch Kyrill I. zu einem christlich motivierten Angriffskrieg macht. Für die Geflüchteten ist die Herausforderung unausweichlich, denn sie müssen täglich mit dem Schlimmsten rechnen. Zugleich ist entscheidend, Zeichen der Hoffnung nicht zu übersehen. „School is cool!“, sagte unser Zwölfjähriger nach seinem ersten Schultag in Deutschland. Kann sie so beginnen, die Auferstehung als Lebenskunst?

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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