Corona und Verletzlichkeit: Paradox in der Pandemie

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In der Pandemie ist es täglich zu spüren: Wir leiden am Verletzlichkeits­paradox. Dieses Paradox besagt, dass man im Schadensfall umso verwundbarer ist, je besser man durch Sicherungsstrategien geschützt ist. Pandemien gibt es erst, seitdem sich die Menschheit global vernetzt hat und damit der Wohlstand deutlich gestiegen ist, zumindest für einen Teil der Menschheit. Die Machtwirkungen der Pandemie schlagen nun umso verheerender zu, weil sie global ans Werk gehen.

Aber das Verletzlichkeitsparadox wirkt auch sozialpsychologisch. In gut gesicherten Gesellschaften steigt der Anspruch auf Sicherheit ständig an. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft, selbst aktiv an der Bewältigung der Krise mitzuwirken. Zu einer gewissen Mitwirkung ist man bereit, aber letztlich hält man den Staat für zuständig. Er soll das Problem nach einem Jahr endlich in den Griff kriegen. Wir haben keine Geduld mehr. Jetzt will man sich nicht einmal mehr mit dem besten Impfstoff impfen lassen, weil es vielleicht noch einen Allerbesten gibt.

Religionen ­können dem Verletzlichkeitsparadox entgegen­wirken. Auch sie waren nicht gut vorbereitet auf jene Verwundbarkeit, die uns mit der Pandemie in aller Wucht getroffen hat. Christinnen und Christen eröffnet nun die Fastenzeit eine Chance, sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu engagieren. Europa braucht mehr Enthaltsamkeit, und zwar nicht nur gegenüber Schokolade, Wein und Zigaretten, sondern vor allem in Sachen Empörungsrhetorik. Bis auf eine Ausnahme, nämlich Bestechlichkeit, Vorteilsnahme im Amt und Pandemie-Gewinnlertum, wie es sich im deutschen „Maskenskandal“ zeigt. Aber ansonsten gilt: Mehr Wertschätzung praktizieren für die zahlreichen Schutzstrategien, die uns zur Verfügung stehen, anderen Ländern aber keinesfalls.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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