Das Kreuz – sozial gelesen

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Welche Verantwortung trägt die katholische Kirche für die Marginalisierung der Roma und Sinti?

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Welche Verantwortung trägt die katholische Kirche für die Marginalisierung der Roma und Sinti?

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Bis vor ein paar Jahren hieß die Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz „Arbeitsstelle für Zigeunerseelsorge“. Ich erinnere mich noch an das süffisante Lächeln einer Verwaltungskraft, als die Umbenennung in „Katholische Seelsorge für Sinti, Roma und verwandte Gruppen“ erfolgte. Die Umbenennung war bitter nötig. In meiner Kindheit hörte ich noch Geschichten von „Zigeunern“, die Kinder aus Gärten und Kinderwagen klauen. Die Vernichtung ungezählter Sinti(zza) und Rom(nj)a im NS-Regime wurde hingegen nicht erinnert. Der Rassismus hat tiefe Wurzeln und massive Auswirkungen.

Die meisten Rom(nj)a und Sinti(zza) leben noch heute und mitten in Europa unter unmenschlichen Bedingungen. Ihre Wohnsiedlungen waren schon vor ihrer Ankunft heruntergewirtschaftet, sie leben ausgegrenzt am Stadtrand und sind verkehrstechnisch kaum angebunden. Weder die Kommunen noch die jeweilige Landespolitik kümmern sich darum, und man muss fürchten, dass Absicht dahintersteht. Oft fehlt sogar die Versorgung mit Frischwasser und Kanalisation. Die Erwerbslosigkeit ist an solchen Unorten extrem hoch. Kinder haben kaum Bildungschancen, die ihnen den Weg in die Mitte der Gesellschaft eröffnen würden.
Der Besuch von Papst Franziskus in der Roma-Siedlung „Lunik IX“ am 14. September war in dieser Hinsicht ein Segen. Er machte den „Schandfleck“ Europas in seiner Unmenschlichkeit öffentlich sichtbar. Papst Franziskus betonte zu Recht auch die soziale Bedeutung des Kreuzes: Kreuze in öffentliche Gebäude oder als Schmuck um den Hals zu hängen, dann aber politische Strukturen zu etablieren, die solche Orte der Unmensch­lichkeit produzieren, geht gar nicht. Aber die Frage bleibt offen: Welche Verantwortung trägt die katholische Kirche für die Marginalisierung der Rom(nj)a und Sinti(zza)?

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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