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Der Bischof ohne Amt

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Die Amtsenthebung des Bischofs der französischen Diözese Evreux, Jacques Gaillot, hat Aufsehen erregt und Demonstrationen aller Art provoziert. Auch in der benachbarten Schweiz gab es Unruhe und Unmut nicht zuletzt unter den Gegnern des Bischofs von Chur, Wolfgang Haas, dessen Absetzung seit Jahren vielfach verlangt, vom Vatikan aber unter Hinweis auf die Unantastbarkeit eines Bischofs verweigert wird. Jetzt auf einmal war einer doch antastbar ...

Warum aber sollte die oberste Kirchenleitung nicht einen Bischof absetzen können, der nicht mehr die katholische Lehre vertritt? Wird ein Mindestmaß an Klarheit nicht gerade heute in einer Zeit zunehmender Unübersichtlichkeit und Verwirrung von immer mehr Menschen verlangt?

Die Frage ist prinzipiell zu bejahen: Wenn ein Bischof die Gottessohnschaft Jesu verleugnet oder Auferstehung, Gericht oder Ewiges Leben bezweifelt, wenn er das Gebot der Feindesliebe bestreitet oder den Dekalog überhaupt in Frage stellt - dann könnte er wohl nicht mehr als authentischer Verkünder der Botschaft Christi angesehen werden. Das müßte Konsequenzen haben.

Aber von all dem hat man im Zusammenhang mit Bischof Gaillot nichts gehört. Dieser hat sich vielmehr öffentlich für die Priesterweihe von Frauen, künstliche Empfängnisregelung, Homosexuelle und Kondomverwendung gegen AIDS-Infektion eingesetzt. Daraufhin wurde er beim Vatikan wiederholt angeschwärzt und jetzt wegen Unfähigkeit, „das Amt der Einheit auszuüben, das die erste Aufgabe eines Bischofs ist”, gefeuert.

Und hier meldet sich das Unbehagen: Immer dieselben Themen, immer derselbe Eifer in eine bestimmte Richtung, immer die Sorge um Lehre und Moral in Fragen, auf die es keine eindeutige biblische Antwort gibt!

Das betrübt nicht zuletzt jene Obdachlosen, Flüchtlinge und Armen, denen die besondere Sorge von Rischof Gaillot galt - was offenbar nicht mehr zählt, wenn es um das geht, was manche Lehramtsvertreter für das allein Wesentliche halten. Und es betrübt alle, die wissen, daß jede Zwangsmaßnahme unter solchem Titel die weltweiten Diskussionen nicht stoppt, sondern immer neu anheizt und die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht stärkt, sondern auszehrt.

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