Die Auferstandenen

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Hildegund Keul zu Maria Magdalena.

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Hildegund Keul zu Maria Magdalena.

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Die Traumaforschung sagt, dass Menschen, die Folter und Hinrichtung eines geliebten Menschen miterleben, eine traumatische Erfahrung machen. Dies wirft neues Licht auf Maria Magdalena, deren Gedenktag die Kirchen am 22. Juli feiern. Sie war schon arg vom Leben gebeutelt, als sie Jesus traf. Sie sei von sieben Dämonen besessen gewesen, notiert Lukas (Lk 8,2). Eine Macht ergriff ihr Leben und knechtete sie. Dann erfährt sie in der Begegnung mit Jesus Heilung und schließt sich seiner Bewegung an. Doch auch diese Lebensphase endet furchtbar. Maria durchlebt, wie Jesus gekreuzigt wird. Man kann sich vorstellen, dass so etwas traumatisiert. Aber dabei bleibt es nicht.

In der Begegnung mit dem Auferstandenen, als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht, geschieht eine Wandlung. Der Tod, der sie in seinen Bann ziehen will, öffnet sich zum Leben. Maria, die Traumatisierte, wird selbst zu einer Auferstandenen. Dies verleiht ihr ungeahnte Kraft. Aus den verschiedenen, auch außerbiblischen Quellen geht hervor, dass Maria Magdalena eine charismatische Führungskraft der jungen Kirche war. Die Hamburger Theologin Silke Petersen bringt es auf den Punkt: „Hätte es ohne Maria Magdalena je eine christliche Kirche gegeben?“

Zugleich geht ihre Bedeutung über das Innere der Kirchen hinaus. Maria Magdalena steht exemplarisch dafür, dass Wunden nicht in der Macht des Todes verharren müssen. Selbst Traumatisierungen können sich öffnen. In einem Gedicht fragt Rose Ausländer:

„Wo sind / die Auferstandenen / die ihren Tod / überwunden haben / das Leben liebkosen / sich anvertrauen / dem Wind“.

Vielleicht sollten wir heute verstärkt nach solchen Menschen Ausschau halten. Denn die Auferstandenen, die ihren Tod überwinden und das Leben liebkosen, bergen eine besondere Kraft.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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