Ein einziges kleines Wort

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Frieden stiften können – das ist eine der wichtigsten Kompetenzen der Menschheit. Besonders deutlich ist das zu spüren, wo ein Streit Menschen auseinandertreibt, wo Verrat nach Rache ruft oder ein Konflikt Völker in den Krieg drängt. Wer in Sachen Friedenstiften nicht kompetent ist, sollte die Finger von der Politik lassen. Denn jeder Krieg, ob im Persönlichen oder Politischen, hinterlässt verbrannte Erde. Ohne die Kompetenz, Frieden zu stiften, kann die Menschheit nicht überleben.

Wie aber entsteht ein verlässlicher Friede? Diese Frage stellen sich Mystikerinnen und Mystiker religionsübergreifend, ob im Judentum, Islam oder Christentum. Die Mystik ist eine der stärksten Friedens­traditionen der Menschheit. Sie begreift, dass man Frieden nicht erzwingen kann. Aber vielleicht kann man ihn erbitten?

„Oh Friede, sage mir doch noch ein einziges kleines Wort.“ Diese Bitte schreibt die Mystikerin Gertrud von Helfta im 13. Jahrhundert in ihr Exerzitienbuch. Streit liegt in der Luft, Ärger und Wut. Aber diese Gefühle entstehen nicht aus einer Stärke her­aus, sondern aus Ohnmacht. Konflikte gehen an die Nieren, greifen aufs Herz zu, rauben den Schlaf. Es braucht ein Wort des Friedens, das die verfahrene Situation öffnet und einen Weg aus der Sackgasse zeigt.

Die Mystikerin empfiehlt daher eine kleine geistliche Übung. Viele „Konflikt­gespräche“ leiden daran, dass man gar nicht richtig miteinander redet, weil man es nicht kann, weil man unfähig dazu ist. Jedes gewechselte Wort treibt weiter aus­einander. Aber manchmal reicht ein kleines Wort, das die Verhärtung überwindet, das die Rüs­tung durchbricht und Menschen füreinander öffnet. Ein mystischer Moment. Plötzlich ein Lachen. Plötzlich ein offener Blick. „Oh Friede, sage mir doch noch ein einziges kleines Wort.“

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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