Ein unbekümmerter Gott?

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Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machenwollen, haben ein grundsätzliches Problem mit dem freien, selbstbestimmten Menschen, sagt Mouhanad Khorchide. Er plädiert für ein neues Verständnis des islamischen Gottesbildes.

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Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machenwollen, haben ein grundsätzliches Problem mit dem freien, selbstbestimmten Menschen, sagt Mouhanad Khorchide. Er plädiert für ein neues Verständnis des islamischen Gottesbildes.

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Wenn Institutionen oder Personen Frauen zwingen, ein Kopftuch zu tragen, und Sanktionen gegen Frauen verhängen, die sich nicht daran halten wollen, und sogar brutal gegen Demonstranten vorgehen, die zur Befreiung der Frauen von solchen Restriktionen aufrufen, dann frage ich als Theologe nach dem Gottesbild, das solchen Institutionen oder Personen zugrunde liegt.

Was ist das für ein Gott, dem das Bedecken der Haare einer Frau viel wichtiger ist als ihr Recht auf Selbstbestimmung und somit ihr Menschsein?! Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machen wollen, haben ein grundsätzliches Problem mit dem freien, selbstbestimmten Menschen. Und erst recht, wenn es dabei um Frauen geht.

Psychologen und Soziologen beobachten hier zwei Prozesse: Zum einen handelt es sich ums Abarbeiten von Minderwertigkeitskomplexen von Männern, die nicht ertragen können, dass Frauen auf Augenhöhe mit ihnen an der Gesellschaft partizipieren. Sie fühlen sich dadurch in ihrer Souveränität bedroht.

Zum anderen handelt es sich ums Streben nach Macht und Kontrolle über Menschen – und dies im Namen des Heiligen. Gerade in Gesellschaften wie im Iran, wo Restriktionen als Befolgung von göttlichem Willen verkauft werden, distanzieren sich immer mehr Menschen von diesem Gott. Sie nehmen ihn als unbekümmerten Gott wahr, der nicht auf der Seite des freien Menschen steht, sondern auf der Seite der Despoten und Unterdrücker. Und weil ein Alternativangebot zu diesem menschenfeindlichen Gottesbild fehlt, verlieren die Menschen in solchen Gesellschaften an Vertrauen in Religionen.

Es wird daher dringend ein Alternativverständnis des islamischen Gottesbildes und des Islam benötigt, um bereichernde Potenziale zur Befreiung des Menschen und zur Verwirklichung seiner Glückseligkeit sowie seiner Interessen als verantwortungsvoller Mensch (in der koranischen Sprache: Kalif) zu entfalten.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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