Erleuchtung

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Hildegund Keul über den Synodalen Weg.

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Hildegund Keul über den Synodalen Weg.

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Gottes Geist weht, wo sie will, und manchmal kommt sie ganz überraschend um die Ecke. So geschehen beim kürzlichen Treffen des Synodalen Wegs in Frankfurt. Dabei war die Präsenz der Betroffenen entscheidend und die konfliktreiche Auseinandersetzung darüber, welche fundamentale Transformation der Kirche die sexuelle Gewalt von Klerikern und ihre Vertuschung durch Kleriker erforderlich macht. Dies führte zu einer Wortschöpfung, die von anderswoher kam: das unfehlbare Lehramt der Betroffenen. Welcher Geistesblitz. Welche Erleuchtung. Wie konnte das geschehen?

Am Ende seiner Wortmeldung, in der sich der Bischof von Regensburg hoheitlich selbst bescheinigte, dass seine Sensibilität für die Betroffenen über jeden Zweifel erhaben sei, sprach er öffentlich ins Mikrofon: „Aber ich lehne eine Emotionalisierung und das unfehlbare Lehramt der Betroffenen ab.“ Zuvor hatten eine Vertreterin und ein Vertreter des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz gesprochen, selbst Betroffene. Der implizite Vorwurf einer Emotionalisierung ist eine Unverschämtheit, im wahrsten Sinn des Wortes. Der Bischof schämt sich nach elf kläglichen Jahren der Aufarbeitung nicht, einen solchen Vorwurf zu erheben. Der Abgrund offenbart neue Untiefen.

Aber Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck antwortete seinem „Mitbruder“, dass es sehr treffend sei, von einem Lehramt der Betroffenen zu sprechen. „Und es ist mir wichtig, dass wir an dieser Stelle wissen: Das ist das einzig wirkliche unfehlbare Lehramt. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Da ist es, das Anderswoher. Und nun ist dieses Wort in der Welt und macht unmissverständlich klar, dass es hinter das Wort der Überlebenden kein Zurück gibt: das unfehlbare Lehramt der Betroffenen.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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