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„Es ist voll Pracht!"

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Unter vielen Osterwünschen hat mich der vom Beligions-pädagogischen Institut Graz-Seckau besonders beeindruckt, der mit den Worten Jesu „Es ist vollbracht" spielt und sie zu einem frohen Osterruf werden läßt: „Es ist voll Pracht."

„Es ist vollbracht": wann sagt dies der Mensch? Wenn Schönes gelungen oder Schweres überwunden ist. Wenn Versöhnung gestiftet oder eine Beziehung endgültig abgebrochen wurde. Am Ende des Lebens, wenn man Irdisches geordnet übergibt, und sich selbst den Händen Gottes empfiehlt. „Es ist vollbracht" sagt man gerne, wenn man mühsam einen Gipfel erklommen hat.

Von den vielen Gipfeln in unserem Leben gibt es oft nur eine verhangene Aussicht, Nebel verhindern den Blick.in die Zukunft. Wer mit Christus gläubig bis Golgotha gestiegen ist, dem öffnet sich gegen jede menschliche Erwartung von der Höhe des Kreuzes eine herrliche Aussicht. Die Ahnung einer zeitlosen Zukunft leuchtet auf, die Sehnsucht nach einem Leben in Fülle wird wach, nach einer neuen Welt, in der es weder Trauer noch Klage noch Mühsal mehr gibt, wo alles früher Schmerzhafte vergangen ist und nur das Schöne bleibt. Eine Aussicht also „voller Pracht".

Aber darf man in dieser Welt schon so Ostern feiern? Geht man dann nicht achtlos an den vielen Kreuzen unserer Tage vorbei, täuscht sich über den Ernst des Lebens hinweg?

Ich weiß auf die peinigende Frage, die uns das Kreuz stellt, keine andere Antwort als die Hoffnung auf Auferstehung. Daß das Kreuz nicht Ende, sondern Durchgang ist, daß selbst die tiefste Leidensnacht einen Morgen kennt, daß wir nicht auf absolute Finsternis zugehen, sondern auf prachtvolles Licht.

In der von J. S. Bach vertonten Johannespassion meditiert eine Altstimme nach dem Tod Jesu die Worte des sterbenden Jesus: „Es ist vollbracht". Sie hebt mit klagender Stimme an, bricht aber dann plötzlich in jubelnde Töne aus: „Der Held aus Juda siegt mit Macht!" Aus dem Todesschrei Jesu wird so ein Siegesruf über Leiden und Tod. Der scheinbar am Holz Besiegte wird zum strahlenden Sieger. Was er im Tod vollbracht hat, eröffnet uns das Leben in seiner vollen Pracht. Der gläubige Christ sieht am Kreuz nicht einen Toten hängen, sondern den, der souverän den Tod besiegt hat.

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