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Gedanken zum Pessach-Fest

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Lieber David! Es ist zum Verrücktwerden. Ich mache mir Sorgen um Euch und Euer Land - befüft:hte das Schlimmste. Und dann sehe ich am Abend nach meiner Vorstellung im Fernsehen den alten Film „Exodus". Der sympathische Paul Newman spielt einen Haganah-Mann, der zu seinem Freund, dem Mukhdar eines arabischen Dorfes, sagt: Wir sind aufgewachsen wie Rrüder, und ich bitte Dich, höre nicht auf den Großmufti, geh nicht weg, bleib hier. Es ist Dein Dorf so wie meines. Wir müssen und werden zusammenleben in Frieden und Gleichheit.

Wann wurde „Exodus" geschrieben, wann der Film gedreht? Ich weiß schon, wer die Teilung Palästinas nicht akzeptiert hat, aber ich weiß auch, wer heute, nach 50 Jahren, die Friedenshand zurückgezogen hat. Undenkbares ist geschehen, ein Jude ermordete Jitzhak Rabin! Ein Jude, der doch den wichtigsten Satz seiner (und aller) Religion kennt: Wer ein Leben rettet, rettet die Welt. Folgerichtig muß es also heißen: Wer ein Leben vernichtet, verwüstet die Welt.

Dabei, David, hat Herzl gesagt: Wir alle wollen als Freunde miteinander leben - der Welt ein Reispiel geben und zeigen, was Toleranz ist. 1896 hat Theodor Herzl in Wien -seinem Wien! — sein großes Werk „Der Judenstaat" geschrieben. Hundert Jahre später gibt es einen jüdischen Staat, Gott sei Dank, aber Herzls Buch ist zu Makulatur verkommen.

Oh David, ich weiß sehr genau, daß Ihr einen Staat, dieses Stecknadelkopf-Land, verteidigen müßt mit Zähnen und Klauen, ist es doch der einzige Platz auf der Welt, wo das Volk Israel ungefährdet leben könnte. Könnte, David, könnte! Nein, leben muß. Aber bei aller Vorsicht, bei aller Erinnerung - die Humanitas, das Lebensprinzip des Volkes, darf nicht an den Grenzen des Landes und der Vernunft stehenbleiben, liegengelassen werden.

Ben Gurion meinte: „Nie wieder!", und er war im Recht, ist es noch. Aber „Nie wieder" gilt für alle, auch für die anderen, die Eure Cousins sind. Ich habe viel nachgedacht, gelesen und - gebetet. Der Papst mahnt, der Dalai Lama betet, wir alle hoffen und warten. Warten auf ein Wunder, denn es muß wohl ein Wunder geschehen, um ein neues Töten, einen neuen Krieg zu verhindern. Menschen lassen sich treiben, laufen falschen Idealen nach, werden aus Not, Dummheit und Wut zu Nationalisten mit fundamentalistischen Prinzipien. Wir - wir können nur raten, hoffen und wieder beten. Beten um den Frieden, den uns Euer Pessach-Fest, das dieser Tage beginnt, verheißt. Möge unser gemeinsamer Gott ein Lieber Gott sein und uns von unserer Furcht befreien.

Sei umarmt, David, und gegrüßt. Mit Grüß Gott, Salam und Shalomü

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