Glaube ohne Angst

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Es ist nicht einfach, die islamische Theologie vom Bild eines strafenden Gottes zu befreien.

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Es ist nicht einfach, die islamische Theologie vom Bild eines strafenden Gottes zu befreien.

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Sowohl die Bibel als auch der Koran vermitteln nicht nur positive Emotionen wie Liebe, Trost, Hoffnung, Vergebung, sondern auch negative, vor allem die der Angst. Der Koran verwendet an einigen Stellen eine drohende Sprache und zeichnet das Bild eines Gottes, der nicht nur von Liebe und Barmherzigkeit geprägt ist, sondern schreibt ihm Emotionen des Zornes und der Drohung zu.

Aber wie viel Angst verträgt Religion heute? Ich meine: nicht viel. Ich mache die Erfahrung mit jungen Muslim(inn)en, dass sie sich im Zusammenhang mit Gott mehr und mehr von Emotionen der Angst entfernen. Sie lehnen es immer mehr ab, mit Mitteln der Drohung zum religiösen Handeln gezwungen zu werden.

Aber es ist nicht einfach, die islamische Theologie von diesem Bild eines strafenden Gottes zu befreien, denn dahinter steckt eine Machtfrage. Mit Angst kann man Menschen leicht zu Handlungen bewegen, ohne dass diese rational nachvollzogen werden können. Gerade in totalitären Gesellschaften dient Angst als Mittel der Unterwerfung, und dies findet seinen Widerhall in der verwendeten religiösen Sprache, aber auch in dem gezeichneten Bild eines restriktiven Gottes.

Der Koran verwendet eine drohende Sprache im Kontext seiner Verkündigung, aber nicht als Mittel der Einladung zu Gott, sondern als Ausdruck von Gottes Zugehen auf die Unterdrückten, auf diejenigen, denen Unrecht widerfahren ist. Es offenbart sich ein Gott, der den gewaltsamen Unterdrückungen nicht mehr tatenlos zusehen kann. Im historischen Kontext gelesen offenbart sich Gottes Empathie mit den Schwachen und Leidenden als Ausdruck seiner liebenden Barmherzigkeit, die sie befreien will. Es geht also nicht um Gott selbst, sondern um seinen Ruf zur Freiheit des Menschen.

Dazu gehört heute, von einer religiösen Sprache der Angst Abstand zu nehmen. Menschen in freien Gesellschaften haben es einfacher, sich eine angstfreie religiöse Sprache anzueignen und sich Gott wie auch ihrem Nächsten aus Liebe zuzuwenden.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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