Great? Again?
Wie die USA - und das Christentum - wieder großartig werden könnten.
Wie die USA - und das Christentum - wieder großartig werden könnten.
Brooke Williams, eine Nichte von George Floyd, erinnerte bei dessen Beerdigung letzte Woche an das Motto des derzeitigen US-Präsidenten, „Make America great again!“ Und sie fragte: „Wann war Amerika jemals großartig?“ Irgendwie fühle ich mich ertappt. Williams adressiert und entlarvt das rassistische Amerika. Aber ihr Statement trifft auch auf andere Institutionen zu, deren vorzügliche Machtstrategie in der Ausschließung liegt. In meinen Augen vor allem das Christentum, das in den letzten Wochen dadurch auffiel, dass es lautstark seine Systemrelevanz behauptete.
Great again! Ja, wir wollen wieder großartig sein. Williams stellt das Christentum vor die Frage: Großartig? Wieder?
Viele Gruppen, die aufgrund prekärer Machtstrategien gesellschaftlich besonders vulnerabel sind, können diese Frage berechtigterweise stellen. Was ist das Großartige am Christentum aus Sicht von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen? Den Männern der indigenen Bevölkerung Amerikas wurde im 16. und 17. Jahrhundert die Priesterweihe verweigert. Den Frauen, mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung, widerfährt dies bis heute. Great? Again?
Auch im Neuen Testament gibt es eine Debatte darüber, wer der Größte sei und woran man das erkennen kann. Den fröhlich ausgetragenen „Rangstreit der Jünger“ (Mk 9,33–37), den diese vor Jesus nicht einmal zugeben wollen und verschämt verschweigen, beantwortet Jesus mit den Worten: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Das kehrt auch die heutige Ordnung der Dinge um. Man stelle sich das vor: Donald Trump im Dienst der people of colour. Die katholische Kirche im Dienst gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Das Christentum im Dienst von Islam und Judentum. Das wäre in der Tat great again.
Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.