peacock-butterfy - © pixabay/ István Mihály

Ich bin lebendig

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Ines Charlotte Knoll über das Ich-Sagen.

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Ines Charlotte Knoll über das Ich-Sagen.

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"Ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ O ja, du Sinnwort aus der Offenbarung des Johannes sagst die Osterlichtwelle an, die durch unser Herz und Denken wirken will. Und wie es der Liturgie der Osterzeit entspricht, grüßen wir einander fünfzig Tage lang gegen das Dunkel: Er ist wahrhaftig auferstanden. Die Tage, die Kriege enden, einmal werden sie sein. Die Tage, die Unglücksfluten heilen, sie werden kommen mit der ersehnten Urhelle. Ein Leben, in die Waagschale aller Existenz geworfen, hat die Schlüsselkarte für deine Fragen, die Lichtliebe schließt das ganze wahre gesuchte Leben auf: für dich, für alle!

Natürlich hat die Wachstumsmaschinerie zum schrillen Ichdesign perfekt erzogen. Kaiser Domitian hat so viele Kinder, ungezählte Generationen der Ich-Ansager: „Dominus et Deus noster“; unser Herr und Gott, sich zu nennen, wagen, rufen und befehlen sie. Ihre Identitätsformel lautet: Geheiligt werde mein Name. Geheiligt werde mein Ich. Gehuldigt, was mein ist und es bleiben soll. Dass Menschen sich so aus sich herauswagen! Die am 5. Mai vor zehn Jahren verstorbene Sarah Kirsch hatte auf ihrer Suche nach Menschen, im Wendegeschehen ihres Landes 1989 eine Beobachterinnenrolle eingenommen: „Jeder will persönlich Ruhm oder beginnt gleich den Wahlkampf. Ist ein Unding.“ Na, klingt hier etwas an, denken wir nur an so manchen Wahlkrampf?

„Das Ich-Sagen war mein Glück“, sagte die eigentlich zum Nicht-Ich-Sagen erzogene Sarah Kirsch, und ich sage es so gerne mit ihr und mit Jesus, dem Lichtich, das einmal die Welt aus ihrem Dunkelschaffen und dem Schmerzrauschen heraus – und jedes Ich zu seinem wahren Ich – spricht: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R

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