„Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, der dich erhält, wie es dir selber gefällt; hast du nicht dieses verspüret?“ Immer treibt es mir Tränen in die Augen, heben die Worte der Alt-Arie aus der Bachkantate BWV 137 an. Jeder Mensch hat seine Musik und sein Wort, das ihn, das sie herausheilt aus der Weltwunde, aus der Wunde, die das „denkende Wesen“ dem Menschen und Tier und Pflanze und der Erde wissentlich antut. Heute nennen wir es Anthropozän. In die Zeitdeutung der Zerstörung ruft Martin Luther den Trostsatz: „Gott ruhet nicht, wirkt ohne Unterlass“; in seiner Schöpfungslehre spricht er im Anschluss an Augustinus von der creatio continua, von der Schöpfung, die nie endet und immer geschieht. Warum Dorothee Sölle den viel geliebten Satz sagen konnte: „Ich glaube an Gott, der die Welt nicht fertig geschaffen hat, wie ein Ding, das immer so bleiben muss.“
Ich glaube an den Menschen! Ich glaube an die Möglichkeit, dass er nicht verdinglicht, was ihm in die Hände und in den Sinn kommt, dass er sich verabschieden kann vom Machertum, dass etwas seine, ihre Seele anspricht – und ein Mensch beginnt wie im Anfang, mit allem Leben kooperieren zu wollen, aus Liebe zum Leben, wie ein Kind, wie einer, den das Heilige gestreift hat, und ein Mensch wollte ein cooperator Dei werden, Mitarbeiterin an der Schöpfung Gottes. Mit der Absicht, ein Gedicht werden zu wollen für das geschundene, vernichtende Dasein. So ins Sein kommen mit meiner Welt, wie Elfriede Gerstl einmal sagte: „Ich fall nie mehr raus ins Nichtgewesensein … Bin ein Gedicht und glücklich.“
Und wo soll ich das denn sein und werden im Leben und Wirken und Wesen? Wo du bist, wo dein Lebensmittelpunkt ist, da fang an. Wo du bist, findest du dich; wo du bist, ist Gott in dir.
Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i.R.
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