Islam ohne Moschee

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Muslimische Religionsausübung in der Coronakrise

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Muslimische Religionsausübung in der Coronakrise

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Um Ansteckungen mit dem Coronavirus möglichst zu vermeiden, haben weltweit so gut wie alle Moscheen ihre Türen geschlossen, sogar die heilige Moschee in Mekka. Es finden nicht nur keine Gebete in den Moscheen statt, sondern auch keine Freitagspredigten, kein Fas­ten­­brechen im bevorstehenden Ramadan, und wenn die Moschee in Mekka geschlossen bleibt, wird es keine Pilgerfahrt geben. Zurzeit werden daher viele kollektive religiöse Rituale individualisiert. Statt in der Moschee betet man nun zu Hause. Man steht allein auf seinem Gebetsteppich und hat mehr Zeit, um mit Gott zu reden.

Manche kommen jedoch darauf, dass sie Gott nicht viel zu sagen haben, dass ihnen das individuelle Gebet auf dem eigenen Gebetsteppich nicht wirklich zusagt. Sie vermissen das Kollektive, das Zeremonielle, denn das wirkt stark identitätsstiftend. Aber vielleicht sind diese Zeiten eine Chance, die persönliche Bindung an Gott zu reflektieren und zu vertiefen. Ich verstehe die zeremoniellen Rituale als äußere Form des Glaubens, nicht jedoch als seinen eigentlichen Inhalt. Ich beobachte sogar, wie es immer mehr um die Form und weniger um den Inhalt geht. Aber vielleicht ist gerade jetzt die richtige Zeit, sich um das Eigentliche zu kümmern.

Denn Formen religiöser Rituale sind vielfältig, sie variieren auch innerhalb derselben Religion. Es gibt heute z.B. ein breites Angebot an digitalen Predigten und religiösen Ansprachen sowie Austauschmöglichkeiten zwischen den Gläubigen. Der Prophet Mohammed selbst hat anfangs fünf Mal am Tag Richtung Jerusalem gebetet, nach ein paar Jahren hat er die Gebetsrichtung nach Mekka geändert. Aber Gott blieb da, wo er immer gegenwärtig ist: im Herzen des Gläubigen und im bedürftigen Menschen und wartet auf jedes menschliche Zeugnis erbarmender Liebe gegenüber dem Mitmenschen als Antwort auf seine Liebe.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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