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Israel ist nicht das Werk europäischer Kolonialisten

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Israelische Bürger fragen sich, wie lange es ihren Staat noch geben wird. Sie befürchten einen drohenden Churban – eine kommende Katastrophe.

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Israelische Bürger fragen sich, wie lange es ihren Staat noch geben wird. Sie befürchten einen drohenden Churban – eine kommende Katastrophe.

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Ein kurzer Besuch in Israel erinnert an Dinge, die wir in der Hitze politischer Rede gelegentlich vergessen: Die Trauer der Menschen um ihre Angehörigen. Die Angst um das Schicksal der verbliebenen Geisel. Die Sorge um jene, die in den Krieg müssen. Die Zweifel an der Zukunft. Wer um sich blickt, erkennt: Dieses kleine Land ist umgeben von verriegelten Grenzen. Es liegt inmitten eines Nirgendwohin. Nur Himmel und Meer sind offen.

Dieser kleine Staat ist kein „weißes“ Land; noch ist er ein „reiches“ Land. Israel ist nicht das Werk europäischer Kolonialisten, sondern die unfertige Hoffnung geflüchteter Menschen verschiedenster Herkunft, die eines gemeinsam haben: das Schicksal nämlich, Vertriebene zu sein. Das hochkapitalistische Tel Aviv mit seinen Glasfassaden, Luxusstränden, französischen Boulangerien, progressiven Bohemiens und High-Tech-Aristokraten hat wenig gemein mit den übrigen Einwohnern, die ihrem täglichen Brot nachgehen: Handwerker, Kleinkrämer, Gelegenheitsarbeiter, Arbeiter in der Landwirtschaft. Juden und Araber.

Die frühen Zionisten wollten ein Volk wie jedes andere, ein unerwähltes Volk mit allen Fehlern und Größen unserer menschlichen Natur. Der jüdische Staat sollte die jüdischen Menschen heimbringen in die Menschheit. Manche Israelis fragen sich heute, wie lange es ihn geben wird, diesen Staat. Man munkelt von einem drohenden Churban, einer kommenden Katastrophe. Manès Sperber schrieb einst von Churban als einer „unfassbaren Gewissheit.“ Damals las man auf den beschmierten Wänden der Wiener Pissoirs Parolen wie „Juden zurück nach Palästina“. Heute erklingen die Parolen umgekehrt. Heute erwartet den Besucher Israels die unfassbare Gewissheit, dass dieser Staat nicht länger sicher ist. Weder vor seinen Widersachern noch vor sich selbst.

Der Autor ist Professor für moderne jüdische Philosophie an der University of Virginia, USA

Der Artikel erschien unter dem Titel "Der drohende Churban" am 8. August 2024 in der Printausgabe der FURCHE.

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