religionen - © llustration: Rainer Messerklinger

Ja zur Religion?

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Mouhanad Khorchide über den fehlendne Nachwuchs in der Theologie.

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Mouhanad Khorchide über den fehlendne Nachwuchs in der Theologie.

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Nach dem Freitagsgebet in einer Moschee stand ein sichtlich aufgeregter Mann auf und bat die anwesenden Väter, ihre Kinder nicht mehr zum Freitagsgebet mitzunehmen: „Die Kinder haben während des Gebets laut miteinander geredet und haben uns dadurch vom Gebet abgelenkt, bitte bringt eure Kinder nicht mehr mit in die Moschee!“

Er reichte daraufhin dem Imam das Mikrofon: „Bitte verehrter Imam, sag ihnen, dass Kinder nichts beim Freitagsgebet verloren haben.“ Der Imam antwortete: „Schaut uns an, es sind kaum mehr Kinder oder Jugendliche, die in die Moschee kommen, und wenn, dann meist nur am Samstag, um mit anderen Kindern zu spielen, aber nicht, weil sie wirklich Interesse daran haben, etwas über ihre Religion zu lernen. Ich bin daher froh, wenn überhaupt Kinder mit ihren Vätern zum Freitagsgebet kommen. Mir ist es lieber, sie kommen und sind etwas laut, als dass sie überhaupt nicht in die Moschee kommen.“

Die empirische Forschung bestätigt diese Beobachtung des Imams. Religiöse Institutionen werden für Jugendliche immer weniger attraktiv. Auch im Theologiestudium beobachten wir ähnliche Entwicklungen. Wir beklagen sinkende Studierendenzahlen. Betroffen ist allerdings nicht nur die islamische Theologie, sondern auch die katholische und evangelische. Die Fragen „Wozu noch Religion? Wozu noch Theologie?“ drängen nach plausiblen Antworten.

Sie fordern Muslime wie Christen heraus. Mir scheint, dass sich nur wenige dieser Herausforderung ernsthaft stellen. Ja, es gibt Erklärungen für das abnehmende Interesse an Religion. Was wir allerdings benötigen, sind Antworten auf die Frage: Was müssen Vertreter(innen) von Religionen tun, um die Potenziale in ihren Religionen für ein heute erfülltes Leben sichtbarer zu machen? Manche würden kritisch hinterfragen: Haben Religionen überhaupt Potenziale für ein erfülltes Leben?

Diejenigen, die dies bejahen, sind herausgefordert, ihr „Ja“ plausibel darzulegen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.

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