Liberales Judentum in der Kritik

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Markus Krah über die traditionellen Kritiker des liberalen Judentums.

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Markus Krah über die traditionellen Kritiker des liberalen Judentums.

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Das liberale Judentum steht immer mal wieder grundsätzlich in der Kritik, im Moment in Deutschland und aus schlechten Gründen: Vorwürfe von Machtmissbrauch, sexuelle Verfehlungen und unheilige Allianzen gibt es vielerorts. Nichts davon darf damit entschuldigt oder kleingeredet werden, aber was davon hat speziell mit (liberalem) Judentum zu tun? - Jüdische Institutionen stehen oft stärker als andere im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, weil ihre Existenz nach der Schoa ein Wunder ist, zumal in Deutschland. Diese Scheinwerfer tauchen dann auch Verfehlungen in gleißendes Licht. Wie in anderen Religionen werden jüdische Institutionen nicht nur an den eigenen ethischen Ansprüchen gemessen, sondern auch an den oft noch höheren, die von außen auf sie projiziert werden.

Hier beginnen die Faktoren, die die Stärken des liberalen Judentums ebenso ausmachen wie seine Verwundbarkeit. Seine Entstehung markiert gegenüber dem traditionellen Judentum eine Verschiebung der Kernelemente von rituellen Praktiken zu ethischen Überzeugungen: Wenn es für eine moralisch wichtige Sache ist, muss der Sabbat nicht strikt eingehalten werden; wenn mich koscheres Essen nicht zu einem besseren Menschen macht, ist es nicht entscheidend. Damit ist das liberale Judentum für seine traditionelleren Kritiker nicht authentisch jüdisch. Diesen Kritikern sind weitere Praktiken des liberalen Judentums ein Dorn im Auge: Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Akzeptanz von Homosexuellen auch im Rabbinat.

Es gibt gute Gründe, die Balance zwischen Tradition und Moderne im liberalen Judentum wie in anderen Strömungen immer wieder zu überprüfen. Grundsatzkritik aus schlechten Gründen aber stellt mit dem liberalen Judentum die Legitimität moderner Religion an sich in Frage.

Der Autor lehrt jüdische Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Potsdam.

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