Louis Brandeis erinnert

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Über eine amerikanisch-jüdische Schüsselfigur, in der die Spannungen moderner jüdischer Existenz Einklang fanden.

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Über eine amerikanisch-jüdische Schüsselfigur, in der die Spannungen moderner jüdischer Existenz Einklang fanden.

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In diesem Herbst jähren sich Geburt und Tod von Louis Brandeis, einem berühmten amerikanisch-jüdischen Juristen. In seiner (Familien-)Biografie spiegeln sich Paradoxa, die moderne jüdische Geschichte kompliziert und spannend machen: jüdische Identität ohne Religion und ein Zionismus, der nicht auf Auswanderung nach Palästina/Israel zielte.

Brandeis wurde am 13. November 1856 im US-Bundesstaat Kentucky geboren. Seine Eltern waren aus Prag ausgewandert, nachdem sich dort die Hoffnungen auf eine revolutionäre Neuordnung der Gesellschaft zerschlagen hatten. Zu seinen Vorfahren gehören Anhänger Jakob Franks, eines falschen Messias, der im 18. Jahrhundert in Polen das Judentum modernisieren wollte und dann mit seiner Konversion zum Christentum tausende Juden zur Taufe bewegte. Brandeis selbst wuchs in einem Elternhaus auf, in dem die jüdische Religion nicht praktiziert wurde. Vielleicht war manches in dieser Familiengeschichte prägend dafür, dass er als progressiver, säkularer Sozialreformer die USA an ihren eigenen Idealen maß. Dazu gehörte sein Credo, dass Juden gute Amerikaner seien, wenn sie Zionisten sind – denn Brandeis sah darin keine konkurrierenden Loyalitäten, sondern geteilte jüdische und amerikanische Werte wie Freiheit und Selbstbestimmung.

1916 wurde Brandeis zum Richter am Obersten Gerichtshof der USA ernannt – als erster Jude. In diesem Amt blieb er 23 Jahre, bis zwei Jahre vor seinem Tod im Herbst 1941. Siebzig Jahre später gilt Brandeis, der den Sabbat nicht hielt, Schweinefleisch aß und Weihnachten feierte, als amerikanisch-jüdische Schlüssel­figur. Für Spannungen moderner jüdischer Existenz – zwischen Europa, Amerika und Israel, zwischen Nation, Religion und Säkularismus – fand er in seiner Person einen Einklang, nach dem viele andere immer wieder suchen.

Der Autor lehrt jüdische Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Potsdam.

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