Martin Buber und Corona

19451960198020002020

Wie uns die Philosophie von Martin Buber helfen kann, mit physischer Distanz in der Corona-Krise umzugehen.

19451960198020002020

Wie uns die Philosophie von Martin Buber helfen kann, mit physischer Distanz in der Corona-Krise umzugehen.

Werbung
Werbung
Werbung

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat heuer keinen runden Jahrestag; er wurde 1878 in Wien geboren und starb 1965 in Jerusalem. Bis heute ist er durch sein Werk präsent, zu dem Legenden der chassidischen Bewegung im Judentum gehören und eine Bibelübersetzung, die er mit Franz Rosenzweig unternahm. Populär ist er unter Christen eher als unter Juden, weil er wichtige Inhalte jüdischer Theologie und das Religionsgesetz in Frage stellte. In diesen Tagen könnte Bubers Philosophie aber helfen, manche Frustration durch Corona-Kontaktverbote zu verstehen.

Für Buber lag die Erfüllung der existenziell-religiösen Dimension des Menschen nicht im Befolgen ritueller Gebote, sondern in der Erfahrung Gottes und des Anderen in Begegnung und Dialog. Er zeigte dies in seinem 1923 erschienenen Buch „Ich und Du.“ Der Titel beschreibt die Begegnung von zwei lebendigen Wesen, in der diese sich gegenseitig als ganzheitlich erfahren. Diese Begegnung dient keinem anderen Zweck oder Interesse – anders als die Beziehungsform, die Buber „Ich – Es“ nennt.

Beide sind notwendig, unser spiritueller Kern wird aber nur in „Ich-Du-Begegnungen“ angesprochen. Wer unter der Isolation durch die Pandemie leidet, könnte sich fragen, nach welcher Art von Begegnungen er sich sehnt. Vielleicht stellen wir fest, dass es nicht nur um „soziale Kontakte“ wie einen Friseurbesuch oder das Gespräch mit einem Verkäufer geht. Vielleicht fehlt uns im tiefsten Innern die Begegnung mit anderen Menschen (oder mit Gott), in der wir uns ganz angesprochen fühlen. Laut Buber kann dies im täglichen Leben geschehen – nicht nur in einer Liebesbeziehung oder einer spirituellen Erfahrung. Vielleicht lehrt uns die Coronakrise, über unsere Kontakte neu nachzudenken und verschiedene Arten der Begegnung zu unterscheiden.

Der Autor forscht zur Zeit zu Jewish Studies an der Vanderbilt University, Nashville/USA.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung