Pazifismus im Islam
Muslime sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie friedlich bzw. gewalttätig der Islam sei, weil der Koran vom Dschihad spricht.
Muslime sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie friedlich bzw. gewalttätig der Islam sei, weil der Koran vom Dschihad spricht.
Pazifismus ist eine ethische Grundhaltung, die darauf abzielt, Konflikte, die mit Mitteln der Gewalt ausgetragen werden, zu vermeiden. Streng genommen wird auch ein Verteidigungskrieg abgelehnt. Muslime sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie friedlich bzw. gewalttätig der Islam sei, weil der Koran vom Dschihad spricht. Die geläufige Antwort von muslimischer Seite lautet stets, der Dschihad legitimiere keineswegs Angriffskriege, der Prophet Mohammed habe den bewaffneten Kampf nur erlaubt, um sich zu verteidigen. Koranische Aussagen, wie Sure 2,191 f werden als Grundlage hierfür herangezogen: „… wenn sie gegen euch kämpfen, dann tötet sie! Hören sie hingegen auf, siehe, Gott ist bereit zu vergeben, barmherzig.“ Dabei reproduzieren Muslime bewusst oder unbewusst eine antipazifistische Haltung, die unreflektiert im Krieg ein Mittel der Selbstverteidigung sieht.
Der Koran gibt keine klare Antwort auf die Frage nach dem Pazifismus im Islam, denn er verwendet den Begriff des Dschihad erst einmal in einem rein ethischen Sinne, in dem es um Selbstläuterung und somit um die Auseinandersetzung mit seinem Inneren geht, um seine positiven Charaktereigenschaften zu stärken. Später verwendet der Koran den Begriff Dschihad zusätzlich im Sinne der Selbstverteidigung mit Mitteln des Krieges. Aber nicht immer, wenn Muslime angegriffen wurden, war ihnen erlaubt, sich mit Waffen zu verteidigen. Der Koran macht dies offensichtlich von der Situation abhängig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Koran die Verhältnisse im siebten Jahrhundert wiedergibt. Die Frage nach dem Einsatz von Waffen muss heute also in einem neuen Licht reflektiert werden. Die Geschichte der Gewalt zeigt uns, dass Kriege, auch Verteidigungskriege, den Menschen stets Leid bringen. Wir müssen endgültig mit jeglicher Form von Gewalt brechen!
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.
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