Prohibition und Judentum

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Vor einigen Tagen jährte sich in den USA ein besonderes Ereignis zum 100. Mal: Am 16. Jänner 1920 wurde die Prohibition eingeführt, ein in der Verfassung verankertes Verbot, alkoholische Getränke herzustellen, zu importieren oder zu verkaufen; es galt bis 1933. In meiner gegenwärtigen Heimat Tennessee, historisch geprägt durch Whiskeybrennereien, war die Produktion von Alkohol gar von 1909 bis 1937 verboten.

Was hat das mit Judentum und Religion zu tun? Viele amerikanische Juden waren keineswegs begeistert von der Prohibition. Sie erschien als fragwürdige Lösung eines Problems, das Juden zumeist nicht hatten. Denn traditionell verbietet das Judentum übermäßigen Alkoholkonsum. Zugleich wollten Juden aber als Minderheit ihre Gesetzestreue demonstrieren und hielten sich an die neuen Regeln, zumal diese für den rituellen Alkoholkonsum, etwa beim Schabbat-Essen, Ausnahmen erlaubten. Für Katholiken galten ähnliche Ausnahmen für Messwein. Durchsetzen ließen sich die Verbote kaum, und ob damit die gesundheitspolitischen Ziele erreicht wurden, ist mehr als fraglich.

Letztlich erwuchs die Prohibition aus anderen Gründen: dem Misstrauen gegen Zuwanderer, denen eine mit Alkohol verbundene schädliche Wirkung auf die amerikanische Moral nachgesagt wurde. Die meisten Einwanderer kamen in dieser Zeit aus Süd- und Osteuro­pa, überproportional viele Katholiken und Juden – was viele engstirnige Protestanten in ländlichen Gebieten um das idealisierte Amerika fürchten ließ, in dem sie das Sagen hatten. – Make America great again? Ein Jahrhundert später fragt man sich, ob das Gefühl eines Déjà-vu nur mit dem Wein vom Vorabend zu tun hat oder die Parallelen real sind. Manche Erscheinungsformen der aktuellen US-Politik lassen sich jedenfalls mit einem Drink besser ertragen.

Der Autor forscht zurzeit zu Jewish Studies an der Vanderbilt University, Nashville/USA.

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