Religion in der Politik: Demut statt Abgehobenheit
Kann die islamische Religion die Politik bereichern?
Kann die islamische Religion die Politik bereichern?
Ist im Zusammenhang mit dem Islam von Religion und Politik die Rede, dann meist unter dem Vorzeichen der Notwendigkeit der Trennung zwischen beiden. Diese Aufforderung ist richtig und wichtig. In vielen islamischen Ländern erlebt man allerdings bis heute, wie Religion als Machtinstrument despotischer Regime missbraucht wird. Eine institutionelle Trennung würde beide schützen. Dadurch, dass die Debatte meistens bei solchen Aufforderungen aufhört, wird versäumt, sich mit einer ganz anderen Frage auseinanderzusetzen: Kann Religion, in unserem Fall der Islam, die Politik bereichern? Meine Antwort lautet: Ja, allerdings nur dann, wenn der Islam in seiner spirituellen und ethischen Dimension verstanden und praktiziert wird, und nicht, wie so oft in Geschichte und Gegenwart, als Macht- oder Unterwerfungsinstrument. – Wir erleben in diesen Tagen in Österreich ein zunehmendes Misstrauen vieler Menschen gegenüber politischen Parteien, da Politikerinnen und Politiker immer stärker mit Eigennutz, Egoismus und Narzissmus assoziiert werden.
Sind aber Religionen nicht da, um uns gerade zur kritischen Selbstreflexion zu ermutigen? Haben nicht alle großen Gelehrten gesagt: Gottes Erkenntnis beginnt mit der Selbsterkenntnis? Der Islam, wie ich ihn verstehe, ruft nicht nur zu dieser inneren Läuterung und zum Befreien von Egoismus, Hochmut und Narzissmus, sondern erinnert an die Bestimmung des Menschen als Kalifen, als Statthalter Gottes. – Das heißt, der Mensch hat einen klaren Auftrag: seine Gesellschaft und seine Umwelt verantwortungsvoll zu gestalten. Politik zu betreiben bedeutet dann, das Leben konstruktiv und verantwortungsvoll, auch für die kommenden Generationen, zu gestalten und nicht, persönliche oder parteipolitische Interessen zu verwirklichen. Persönliche Leitlinie wäre Demut und nicht Abgehobenheit.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster.
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