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Ein Wort finden in der Flut. Es haben und hüten und sein, das ist eine schöne Idee der Herrenhuter Losungen, erfunden von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ein biblisches Wort für jeden Tag, für jede Woche und für das ganze Jahr sollten das Leben begleiten. In den evangelischen Kirchen werden biblische Worte überdies in die Biographie eines jeden Menschen gelegt: zur Taufe, zur Konfirmation, zur Trauung und Segnung jeder Art sowie zur Einsegnung am Ende der Sichtbarkeit eines Menschen. Mich hat das spät erst bewegt, wie dies ja auch Augustinus geschah, als er sagte: „Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, ewig alt und ewig neu“. Dass ich, wenn ich will, in der Sehnsucht nach Antwort immer schon angesprochen bin als eine Erkannte, ein Erkannter jenseits von allem vermeintlich Sag- und Zeigbaren. Das ist mir ein wahrer Trost. In der rasenden, unaufhörlichen Ankunft von Bildern sind wir, wie der Geschwindigkeitsphilosoph Paul Virilio deutete, Verbannte der äußeren wie der inneren Welt. Seine Universität, sagte er, war der Krieg. Und der bleibt ja immer am Wüten im Großen wie im Kleinen mit seinen Heidenspäßen und einer ungestillten Mordslust, die im Schwange ist, auch auf einer wirklich schönen Epiphanias-Einladung in einem privaten Zusammenhang. Die Wut eines Griechen, der für einen Spanier gehalten wurde im Smalltalk, ist die aufschreckende Fußnote der Verbannung alles Menschlichen. Also in dem Augenblick wäre mir fast ein Maschinenmensch – nehmen Sie das nun bitte nicht wörtlich, ich meine ja nur das oft vermisste Benehmen - lieber gewesen, der die Losungen von Herrenhut zu lesen imstande wäre, mich echt freundlich anlächelt und sagt: Ein Wort findet dich in der Flut. Habe und hüte es und sei daraus. Die Jahreslosung ist für dich: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

Die Autorin ist evang. Pfarrerin, freischaffend.

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