Verloren in der Corona-Krise: Hier stehe ich

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Wir erleben Corona-Verlorenheit auf allen Ebenen – aber gab und gibt es nicht auch Momente, die wir in der Überfülle eines aufgeblasenen Nichts so zuvor nicht erleben konnten?

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Wir erleben Corona-Verlorenheit auf allen Ebenen – aber gab und gibt es nicht auch Momente, die wir in der Überfülle eines aufgeblasenen Nichts so zuvor nicht erleben konnten?

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„Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Dieser Satz der selbstbewussten Ichheit, mit der Martin Luther nicht eine Idee seiner Glaubenserkenntnis im April 1521 vor dem Reichstag zu Worms relativiert, geschweige denn sie widerruft, sind den lutherischen Kirchen in diesem Jahr Anlass zu einer Feier über die Glaubensfestigkeit eines, der aus tiefster Überzeugung seine wahren Werte lebt. Dieses persönliche Jetzt, darin ein Mensch über alle Zweifel erhaben ist, wäre ein motivierendes Beispiel in Tagen wie diesen, da eine depressive Aggressivität die Gesellschaften durchzieht und alles und jedes aus berechtigter Enttäuschung in den Zweifel gezogen wird.

„Um mich herum sehe ich immer mehr ordentliche Menschen, die verloren sind“, dichtet Said in die Zeit. Wir leben eine Corona-­Verlorenheit auf allen Ebenen. Wir sehen in traurige Gesichter der Kinder, die neue Verstohlenheit bei Einkäufen, gesenkte Köpfe von Menschen, die ihre Arbeit und alles verloren haben. Diese überzählige Einsamkeit der Kranken und der tief Irritierten, die vielen Verluste, das große Verstummen … Dazwischen Nachrichten, davon einige Fake News, alte und neue, adaptierte Nachrichten, die sich um mindestens eine Person drehen.

Wir sollen, rät Luther, mit Mut zum Sein „das tiefe heimliche Ja unter und über dem Nein mit festem Glauben auf Gottes Wort fassen“. Sich und die Welt sehen unter dieser Zusage, tief vertrauend, dass auch „die Finsternis des Wortes hilft“ (Said) und das Unverstandensein seinen Sinn haben wird und unerkannte Seinswunder in sich trägt. Gab und gibt es nicht auch Corona­-Momente, die wir in der Überfülle eines aufgeblasenen Nichts so zuvor nicht erleben konnten, nun aber in einem ganz eigenen Miteinander? Und wir konnten nur an das Leben glauben in diesem Hier und wahr sein in der Menschenliebe.

Die Autorin ist evangelische Pfarrerin i. R.

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