Weihnachten in Kriegszeiten

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Der Krieg ist kein Grund, das Fest zu streichen. Im Gegenteil, sagt Hildegund Keul in der Glaubensfrage.

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Der Krieg ist kein Grund, das Fest zu streichen. Im Gegenteil, sagt Hildegund Keul in der Glaubensfrage.

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Vor Kurzem sprach meine Tante mich darauf an, dass die Ukrainerinnen, die mit ihren Kindern vor dem Krieg in unser Dorf geflohen sind, gar nicht so traumatisiert wirken; manchmal lachen sie sogar herzhaft. Die Frage ist markant für unseren Umgang mit Leid. Können und dürfen Menschen auch mitten in der Katastrophe Momente von Glück erfahren? Müssen sie sich dafür schämen, falls es passiert? Oder ist es vielmehr umgekehrt: dass gerade dieses Glück, das Menschen in den Brüchen des Lebens überraschend zufließt, sie dazu befähigt, in diesen Brüchen zu bestehen?

Die Fragen sind für das diesjährige Weihnachtsfest relevant. Der Krieg ist kein Grund, das Fest zu streichen. Im Gegenteil. Aus den beiden Weltkriegen ist bekannt, dass Weihnachten in Zeiten des Krieges besonders gefeiert wird. Besonders nachdenklich. Besonders intensiv. Besonders schmerzlich. Besonders euphorisch. In diesem Jahr könnten sich ähnliche Paradoxien ereignen – und könnten damit ins Herz dessen führen, was dieses Fest ausmacht. Entgegen aller Idyllisierung erzählt die Bibel, dass die Geburt Jesu für die Menschen an der Krippe kein Zuckerschlecken, sondern ein riskantes Unterfangen war. Maria und Josef mussten kurz nach der Geburt ganz plötzlich nach Ägypten fliehen. Sie wollten ihr Kind vor dem Zugriff eines Diktators in Sicherheit bringen. Ganz ähnlich wie aktuell so viele Mütter und Großeltern aus der Ukraine. Die Eltern Jesu erfuhren hierfür eine besondere Stärkung, als ihnen im Blick auf das Kind in der Krippe ein unsagbares, leuchtendes Glück zuteil wurde. Ist es nicht genau diese mystische Erfahrung, die Menschen sich vom Weihnachtsfest erhoffen? In einer Zeit des Krieges haben wir allen Grund, einander und insbesondere den Ukrainer(inne)n ein frohes Fest zu wünschen, ein Fest, das leuchtet, stärkt und ermutigt.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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