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Glaube—Vernunft

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Der polnische Philosoph Leszek Kolakowski, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (1977), ruird am Montag, 21. Februar, im Zeremoniensaal der Wiener Hofburg als Gast des „prowien"-Clubs sprechen.

„Falls es keinen Gott gibt" hat der polnische Philosoph Leszek Kolakowski in Anlehnung an das bekannte Dostojewski-Wort sein neuestes Buch betitelt. Der Titel erfüllt nicht ganz jene Erwartungen, die er zunächst erweckt. Denn worum es dem Autor geht, sind nicht oder doch nicht in erster Linie die Konsequenzen einer endgültig gottlos gewordenen Welt.

Im Mittelpunkt der Erörterungen steht vielmehr die mit großem analytischen Scharfsinn entwik-kelte These, daß für eine religiöse Weltinterpretation zumindest ebenso viele gute Vernunftgründe sprechen, wie gegen sie, daß also die weit verbreitete Rede von einem angeblich „nachchristlichen", „nachmetaphysischen" oder gar „gottlosen Zeitalter" im Grunde nur leeres Gerede ist.

Leszek Kolakowski steht offensichtlich in der insbesondere im westlichen Christentum weit zurückreichenden Tradition des apologetischen Denkens, die -wenn auch in veränderter Form -auch in der neuzeitlichen Philosophie eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.

Dabei scheint er eher der Formel „Credo ut intelligam" zuzuneigen: nicht das rationale Verstehen der Welt führt mit Notwendigkeit zum Glauben, sondern der Glaubensakt ist die unabdingbare Voraussetzung eines ziireichenden Verständnisses dieser Welt.

Leszek Kolakowski ist längst kein Marxist mehr, sein dreibändiges Werk „Die Hauptströmungen des Marxismus" ist eine einzige große Abrechnung mit der Ideologie seiner Jugendjahre. In den letzten zehn Jahren hat er sich mehr und mehr religionsphilosophischen und theologischen Fragen zugewandt. Die Frage, ob mit dieser denkerischen Wende auch eine persönliche Konversion verbunden war, muß hier aus begreiflichen Gründen offen bleiben.

Kolakowskis neuestes Werk stellte ohne Zweifel die bisherige Summe seines Religionsphilosophischen Denkens dar. Denn der Autor will dieses Buch ausdrücklich als Religionsphilosophie verstanden wissen.

Die Alternative: entweder Gott oder Nihilismus mag in ihrer Radikalität künstlich erscheinen, ja manche werden vielleicht sogar sagen, dies sei eine falsche Alternative. Immerhin kann ein solches Denken aber dazu beitragen, die letzten Abgründe unserer Existenz, die uns normalerweise verborgen sind — wie könnten wir sonst auch leben! —, blitzartig auszuleuchten. Philosophische oder wissenschaftliche Argumente sind hier ohnmächtig.

Kolakowski meint: „Die Frage, was für uns wirklich oder unwirklich ist, entscheidet sich im praktischen und nicht im philosophischen Engagement. Das Wirkliche ist, wonach die Menschen sich wirklich sehnen."

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