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Gleichschaltung auf kaltem Weg ?

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Die „Knödelakademien“ emanzipieren sich. Die Schulen für wirtschaftliche Frauenberufe erfreuen sich seit etlichen Jahren eines starken Zulaufs. Allerorts wachsen neue aus dem Boden.

Wenn die Schülerzahl an den berufsbildenden höheren Schulen seit 1970 um 257 Prozent gestiegen ist, dann ist dies vor allem diesem Schultyp zu verdanken. Im vergangenen Schuljahr besuchten mehr als 12.000 Mädchen (und ei-

nige Burschen) in ganz Österreich die 40 Höheren Bundeslehranstalten für wirtschaftliche Frauenberufe.

Trotzdem wollten die sozialistischen Schulpolitiker diesen Schultyp eingehen lassen. Die siebte Novelle zum Schulorganisationsgesetz sah im Vorjahr vor, sie ihrer Geschlechtsspezifika zu berauben. Da legte sich die ÖVP quer. Trotzdem reißen die Dikus- sionen nicht ab.

An der Spitze der Gegner der Schulen für Frauenberufe steht Staatssekretärin Johanna Doh- nal. Nach ihrer Meinung festigen diese Schulen die „Geschlechterklischees“, statt sie zu beseitigen. In diesen Schulen erhielten die Mädchen zwar eine umfassende, aber doch ungenügende Ausbildung und wären dann bei der Arbeitssuche den Absolventinnen von Handels- oder Fremdenverkehrsschulen unterlegen, meint die Staatssekretärin.

Noch härter formulierte kürzlich das Fernseh-Jugendmagazin „Oh ne Maulkorb“: „In diesen Schulen werden arbeitslose Siebzehnjährige erzogen.“

Die Statistiken des Absolventinnenverbandes beweisen das Gegenteil: Durch die breite Ausbildungspalette von der allgemei

nen Gymnasialbildung über die gewerbliche bis zur bürospezifischen Ausbildung seien die Absolventinnen besonders konkurrenzfähig, heißt es dort. Nur eine kleine Minderheit fände keinen Posten.

Eine vehemente Verteidigerin dieses Schultyps ist Ingeborg Holub, Vertreterin der „Frauenschulen“ im Zentralausschuß der berufsbildenden Schulen und Lehrerin an der 1200 Schülerinnen zählenden Anstalt in der Wiener Strassergasse. Sie faßt ihre Skepsis gegenüber den drohenden Reformen zusammen: „Wo wird da noch die Möglichkeit bleiben, Frau zu sein?“

Neben ihrer prinzipiellen Sorge vor einer Angleichung an Handelsakademie oder Gymnasium differenziert sie ihre Vorwürfe:

• An manchen Frauenschulen fehlten noch in der Woche vor Weihnachten die Schulbücher — steckt dahinter eine politische Absicht des Ministeriums?

• Im Frühjahr soll das fächerübergreifende Prinzip der schriftlichen Reifeprüfung auf den sonst üblichen Modus der Prüfung in Einzelgegenständen reduziert werden. „Der Schülerin, die bisher selbständig die Prüfungsfächer wählen konnte, wird damit eine Unreife unterstellt, die längst überwunden war“, klagt die Pädagogin.

• Die praktische Vorprüfung, wesentlicher Bestandteil der berufsspezifischen Ausbildung und Reifeprüfung, soll durch eine rein theoretische Projektarbeit ersetzt werden.

Als Personalvertreterin trauert Ingeborg Holub jenen Zeiten nach, in denen Änderungen noch demokratisch der Zustimmung aller Betroffenen bedurften. Nun wird ein angeblicher Ausspruch des zuständigen Sektionschefs, Werner John, kolportiert: „Die neuen Lehrpläne treten auch in

Kraft, wenn die Personalvertretung nicht zustimmt.“

Für Ingeborg Holub ist dies ein Zeichen dafür, wie sehr das Verhandlungsklima zwischen dem Ministerium und den Betroffenen gestört sei.

Die Lehrplanreform sei unter Zeitdruck durchgesetzt worden. Die Personalvertretung habe notgedrungen zugestimmt, nachdem John ihr zugesichert habe, bei allen Reformen in Zukunft rechtzeitig informiert zu werden. Nun würden bereits Projektarbeiten an Schulen in Kärnten und Oberösterreich durchgeführt, ohne daß es darüber Verhandlungen mit den Lehrern gegeben habe, kritisiert Frau Holub.

Sektionschef John dementiert die ihm zugesprochenen Äußerungen. Die Versuche mit Projektarbeiten seien eingereicht, noch keineswegs beschlossen. Die Gespräche sind noch im Gang — ein Hinweis, den der Sektionschef öfters hören läßt.

Wenn es nach Johns Willen geht, soll das fächerübergreifende Prinzip der Matura erhalten bleiben. „Gewisse Eingrenzungen“ seien geplant. Die Erfahrungen hätten gezeigt, daß die Prüfungen zu schwer, die Belastungen für die Schülerinnen zu groß seien.

Demgegenüber plädieren Schülerinnen, Absolventinnen, Eltern und Lehrer mehrheitlich für die Beibehaltung der bisherigen Prüfungsart, die sie als „bildungspolitisch fortschrittlich“ bezeichnen.

Auch aus dem Ministerium hört man Stimmen, die sich nicht zur Gänze mit dem Reformwillen der Chefs solidarisch erklären. Eine teilweise Lehrplanänderung wird, seit zweieinhalb Jahren vorberei

tet. Wenn es jetzt heißt, man sei wegen der Schulbuchaktion unter Zeitdruck gestanden, sei dies eine Ausrede, wird behauptet.

Walter Denscher ist für die gesamte Schulbuchaktion verantwortlich. Er stellt fest: „Durch die Lehrplanänderungen verzögerten sich Approbation, Druck und Auslieferung der neuen Bücher. Aber mit vielen Bemühungen ist es uns gelungen, spätestens Anfang Dezember alle Bücher bis zum Schüler zu bringen.“

Weniger politisch, dafür komplexer sieht Otto Urban, der Schulbuchreferent in der Strassergasse, das Problem. Kommunikationsschwierigkeiten seien der Urgrund für die Verzögerung der Bücher gewesen, meint er. Eine inhaltliche Wandlung des Schultyps sei notwendig, da sich Schulen immer an wirtschaftliche Gegebenheiten anpassen müßten.

Im Westen liege das. Schwergewicht der Ausbildung naturgemäß im Fremdenverkehr, im Osten mehr im kaufmännischen Bereich. Die Wirtschaft klage ohnehin bereits über mangelnde Anpassung.

Außerdem könnten jene, die das „Spezielle“ an den Frauenschulen betonen, oft die Frage gar nicht beantworten, was denn nun eigentlich dieses Spezielle sei, zeigt sich Urban skeptisch.

Ingeborg Holub jedenfalls warnt vor einem verwaschenen Gymnasium und hofft auf den teilweise bereits aufflammenden Protest aller Betroffenen.

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