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Gleitflug ?

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Während in der Öffentlichkeit bereits die Personalpolitik der neuen „Kurier“-Inhaber erörtert wurde (Portisch als Herausgeber? Strohal weiter als Chefredakteur?), wimmelten Mitglieder der „Kurier“-Redaktion anfragende Kollegen ab: „Nichts ist entschieden, alles ist offen, bis zur endgültigen Entscheidung dürfte es noch eine ganze Weile dauern.“

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Während in der Öffentlichkeit bereits die Personalpolitik der neuen „Kurier“-Inhaber erörtert wurde (Portisch als Herausgeber? Strohal weiter als Chefredakteur?), wimmelten Mitglieder der „Kurier“-Redaktion anfragende Kollegen ab: „Nichts ist entschieden, alles ist offen, bis zur endgültigen Entscheidung dürfte es noch eine ganze Weile dauern.“

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Immerhin könnte Dr. Sassmann, Generaldirektor des Styria-Verlages in Graz, mit wesentlich größeren Sympathien innerhalb der „Kurier“-Redaktion rechnen als Falk. So nicht alles trügt, dürfte das Geschäft zwischen Polsterer auf der einen, Styria und einem Bankenkonsortium auf der anderen Seite zustande kommen. Damit wäre wieder einmal eine große Zeitung davor gerettet, in die Hände ihres schärfsten Konkurrenten überzugehen.

Die rettende Lösung, die sich da abzeichnet, steht freilich im Zeichen aufziehender Gewitter. So geriet der „Kurier“ schon vor einiger Zeit in sanften Gleitflug in niedrigere Auflagenregionen, wobei der Gewinn eines Teiles der „Volkstolatf'-Leser allerdings den Abwärtstrend etwas gebremst haben dürfte. Sowohl dem „Kurier“ wie auch der „Kleinen Zeitung“' des Styria-Verlages wird Falk jetzt den Kampf ansagen.

Die kommende Auseinandersetzung wird hart werden. Was geschehen wird, kann sich jeder ausrechnen, und es gibt auch diverse Indizien dafür: Der große Tycoon Falk wird sich wohl kaum davon abhalten lassen, die geplante steirische Ausgabe der „Kronen-Zeitung“ zu starten, was mit großer Wahrscheinlichkeit für die „Kleine Zeitung“ erhebliche Auflagenverluste zur Folge haben wird. Ähnlich erging es ja auch den „Oberösterreichischen Nachrichten“ nach der Gründung der Linzer Ausgabe der „Kronen-Zeitung“.

„Kleine Zeitung“ nach Wien?

Sassmann könnte nun mit der „Kleinen Zeitung“ und dem „Kurier“ sich in der Weise verteidigen, daß die Gründung einer steirischen „Kronen-Zeitung“, mit der Falk der „Kleinen Zeitung“ unmittelbar zu Leibe rücken würde, mit einem verschärften Konkurrenzkampf auf dem Wiener Boden beantwortet wird — in der Hoffnung, dabei das Ende der Falkschen Kapitaldecke zu Gesicht zu bekommen.

Der Haken an der Sache: Die Gegenseite, die geplante, erhoffte, von allen „Kurier“-Rettungsmän-nern ersehnte Super-Styria könnte, gleichgültig, wie ihre Strategie aussieht, gegen Falk nur unter Einsatz von sehr erheblichen Geldmitteln (weit über den Kaufpreis für den „Kurier“ hinaus) erfolgreich sein. In den „Kurier“ müßte viel investiert werden, gleichzeitig wäre aber für die Styria die Versuchung größer denn je, doch noch die seit vielen Jahren ventilierte Wiener Ausgabe der „Kleinen Zeitung“ ins Leben zu rufen.

Falk könnte so in eine Zange genommen werden, in eine brillantenbesetzte Zange aus Platin freilich, denn billig wäre ein solcher Abwehrkampf nicht.

Ausschlaggebend wäre dabei die Investitionsfreudigkeit des Bankenkonsortiums, die wiederum davon abhängen wird, welche Gewinnchancen eine derartige Aktion verspricht; denn die Erhaltung einer unabhängigen Presse samt ihrer staatspolitischen Funktion dürfte für keinen Bankdirektor ein Motiv sein, Verluste in Kauf zu nehmen — jedenfalls nicht auf längere Sicht.

Eine staatspolitisch äußerst wichtige, dabei lange Zeit überaus gewinnträchtige Zeitung in Österreich, das „Neue Österreich“, verschwand, weil man zwar ihre staatspolitische Rolle sah, aber keine Möglichkeit mehr, sie wieder auf die Gewinnstrecke zu bringen. „Kurier“ und „Kleine Zeitung“ könnten gewinnträchtige Objekte bleiben, was sie lange Jahre waren — ob in Koexistenz mit Falk, wird sich weisen.

Denn während die Geburtshelfer der Styria-„Kurier“-Kombination vermutlich vor allem kaufmännisches Überleben und die Erhaltung eines breiten Meinungsspektrums in Österreich im Sinne haben, könnte Falk die Hoffnung locken, in Österreich zwar kein Meinungsmonopol zu schaffen (eher schon ein Monopol der Meinungslosigkeit), auf der anderer: Seite aber eine so handfeste Vorrangstellung auf dem Zeitungsmarkt zu erringen, daß er — ähnlich wie der ORF in der TV-Werbung — den Anzeigenpreis bestimmen und damit seine Gewinne noch erfolgreicher maximieren könnte.

Die Auseinandersetzung gleicht ein wenig dem Duell eines Wals mit einem Riesenkraken in tiefster Meerestiefe und spielt sich wie dieser in totaler Finsternis ab — von Transparenz rund um die Vorgänge auf dem Zeitungsmarkt ist kaum die Rede. Man wüßte schon mehr, wüßte man, wie es der große Magier mit dem großen Tycoon hält.

Schweigen auch hier. Kreisky will sich „in die geschäftlichen Angelegenheiten“ nicht einmischen und verrät auch nicht, wem er seinen mächtigen Daumen drückt.

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