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Glück im Museum

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Wien hat’s gut. Wien hat die Türken, Wien hat den Papst, Wien hat die Regierung, das Konferenzzentrum und die Kultur.

Die Janitscharen, die vom Dach des Wiener Künstlerhauses auf den Karlsplatz zielen, treffen geradewegs den Nerv der Zeit und holen ihn so scharenweise hinter die türkische Plastikfassade, daß dem Besucher zwar nicht von Schlachtenlärm und Türkenblut, wohl aber von den neugierigen Volksmassen in dieser Ausstel-

lung ganz übel wird. So vermittelt die Türkenschau mit ihrer stark aufs Emotionelle gerichteten Konzeption auch gleich die Phobie des Belagerungszustandes. Das didaktische Ziel ist mehr als erreicht. Der Krieg in der Vitrine ist des Friedensfreundes schönster Traum.

Hans Holleins historisierende Pop-art könnte die Kulturpolitiker, welche die Staatsoper am liebsten täglich auf Gastspiel nach Gramatneusiedl und den Salzburger „Jedermann“ auf Tournee nach Neu-Kagran schik- ken wollen, auf völlig neue Anregungen bringen.

Ein Riesen-Saurierrachen aus Plastik zum Beispiel, vor die Fassade des Naturhistorischen Museums gebaut, vielleicht ein „begehbarer“ Walfisch, könnten die Besucherzahl wesentlich erhöhen. Schwach frequentierte Kirchen könnten mit einem Riesenmodell des Salomonischen Tempels überwölbt werden. In die Salzburger Felsenreitschule könnte man durch die begehbaren Nüstern eines Lipizzaners hineinspazieren. Kulturmarketing steht also erst am Anfang.

Doch während es Wien, wie gesagt, überhaupt gut hat, geht es den Bundesländern schlecht Zwischen Göttweig und Schallaburg liegen Welten, deren verkürzte Distanz ein echtes Sommerangebot ist. Der Kunstfreund nimmt’s, wie es kommt, und der

Tourist ist dankbar.

In Salzburg ist ins Stift St. Peter wieder die Stille seiner Bestimmung eingekehrt, die Steiermark hat den Erzherzog Johann überstanden. Nur Oberösterreich hält an der Tradition seiner Landesausstellungen fest und zeigt sich und den Gästen in Wels, was wirklich ein Tausendjähriges Reich ist Eine Verkleidung der restaurierten Welser Burg mit einer plastikfunkelnden Goldhaube wurde dabei freilich versäumt.

Das Tausenderjubiläum ist außerdem nicht ganz so rund, die historische Materie ist ein wenig papieren und trocken, der Besucherstrom kommt nicht so recht in Schwung. Zuwenig Krieg ist da — und zuviel Dokument und Recht, zuwenig Prunk und zuviel Schrift. Kulturmarktmäßig könnte das für die Oberösterreicher ein Rückschlag werden.

Aber denen, sparsam und fleißig wie sie sind, fällt statt dem Zelt des Kara Mustapha eine andere Attraktion ein. In Wels gibt’s ein Fragespiel — und wer Glück hat, der gewinnt 100.000 S.

Würden Sie diese Ausstellung gegen irgendeine andere tauschen? Natürlich nicht, denn der Ober Österreicher ist historisch gebildet. Er hat also zu wissen.

daß Stelzhamers Landeshymne „Hoamatgesang“ heißt, die erste Pferdeeisenbahn Europas nicht nach Wien führte, Maximilian I. nicht auf der Schaunburg starb, Adalbert Stifter nicht den Altar von Gampem restaurieren ließ und auch Leopold I. nicht in Linz regierte. Er muß das alles übrigens nicht auf einmal wissen. Es gibt spannende Zwischenverlosungen. Solches Glück im Museum, bzw. in der Landesausstellung, ersetzt den Schlachtenlärm vom Tonband eigentlich auch.

Bloß ist diese Idee noch nicht voll ausgeschöpft und wird von ähnlichen Aktionen der Massenmedien, besonders des ORF, weit übertroffen. Es gilt daher, Mut zum totalen Kulturmarketing zu fassen.

Als Besucher verkleidete Aus- stellungs- oder Museumsdiener könnten zum Beispiel plötzlich fragen, wie viele Hufe das letzte Pferd Friedrichs III. hatte — und bei richtiger Antwort erhält der Gast einen Gutschein zum kostenlosen Besuch eines Bankschalters. Oder man könnte, Landesgeschichte stark aktualisierend, die Stichfrage stellen, welches Politikergehalt dem Wert eines bestimmten Ausstellungsstückes entspricht. Dem Variantenreichtum von Glück im Museum sind überhaupt keine Grenzen gesetzt.

Vielleicht könnte man auch, was kulturpolitisch besonders verdienstvoll wäre, solche Aktionen vorzugsweise auf jene Kunstbereiche lenken, die am meisten unter mangelndem Publikumsinteresse leiden. Etwa zeitgenössische Musik oder Literatur. „Glück mit Lyrik“ zum Beispiel wäre ein wahrer Segen. Frage: In welcher Sprache ist der letzte Band eines bekannten konkreten Poeten abgefaßt? Oder für Musik: Raten Sie, wie viele Noten die Partitur des heute aufgeführten Werkes enthält?

Sollte man nicht überhaupt das Lotteriebuch kreieren? Wer liest, gewinnt! Damit starke und schwache Leidenschaften endlich unter einem Deckel wären!

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